Ein eigenes Herbarium anlegen – Lernen in der Natur
Elisa Morel
Den meisten Menschen ist nicht bewusst, was da so alles direkt vor ihrer Nase wächst. Auch bei Spaziergängen achten wir gewöhnlich nicht auf die Pflanzen und wenn doch, kennen wir die Namen meist nicht.
© ADOBE Stock
Das Anlegen eines Herbariums schärft den Blick für die heimische Flora, hält spannende Erkenntnisse bereit und ist der krönende Abschluss einer Unterrichtsreihe. In diesem Beitrag erfahren Sie, warum es eine tolle Idee ist, mit Ihren Kindern ein Herbarium anzulegen und wie es Ihnen am besten gelingt.
Inhalt
1. Was ist ein Herbarium?
2. Was lernen Kinder durch die Erstellung eines Herbariums?
3. Aufbau eines Herbariums
3.1. Deckblatt und Inhaltsverzeichnis
3.2. Herbarbogen
4. Erstellung eines Herbariums
4.1. Das Sammeln der Pflanzen
4.2. Das Bestimmen der Pflanzen
4.3. Das Pressen der Pflanzen
Was lernen Kinder durch die Erstellung eines Herbariums?
Wenn Schülerinnen und Schüler ein eigens Herbarium erstellen, haben sie zukünftig immer ein erweiterbares Nachschlagewerk zur Hand. Natürlich ist ein solches selbst gestaltetes Werk auch etwas, auf das man stolz sein und das man anderen präsentieren kann. Außerdem ist ein Herbarium eine unkomplizierte Gelegenheit, Gelerntes in der Praxis anzuwenden – Bewegung an der frischen Luft und in der Natur inbegriffen.
Gleichzeitig lernen die Kinder:
- die heimische Pflanzenwelt besser kennen
- auf Pflanzen in ihrer Umgebung und deren Lebensräume zu achten
- wissenschaftliches Arbeiten
- Sorgfalt und Geduld
- Recherche
Aufbau eines Herbariums
Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten, ein Herbarium anzulegen. Ein Schnellhefter mit Klarsichthüllen für die Herbarbogen ist ebenso denkbar wie ein gebundenes Blankobuch mit eingeklebten, vielleicht sogar laminierten Exponaten.
Achtung: Je nachdem, welchen Schwerpunkt (Baum, Strauch, Kräuter etc.) Sie mit Ihren SuS für das Herbarium setzen, müssen Sie auch auf gefährliche oder giftige Pflanzen hinweisen. Der Riesen-Bärenklau verursacht bei Hautkontakt beispielsweise schmerzhafte Quaddeln, wurde 2008 zur Giftpflanze des Jahres gewählt und sollte nur mit vollständiger Schutzkleidung berührt werden. Außerdem stammt er ursprünglich aus dem Kaukasus. Ein wenig Recherche oder fachkundige Beratung sollte also zuvor auch auf Ihrer To-Do-Liste stehen.
Deckblatt und Inhaltsverzeichnis
Hier gibt es nicht viele Vorgaben. Der Name des Sammlers, vielleicht seine Klasse und der Titel „Herbarium“ reichen völlig aus. So bleibt auch Platz für die individuelle Gestaltung, beispielsweise durch eigene Zeichnungen oder Bilder von Pflanzen, Samen, Früchten oder auch den Namen der enthaltenen Pflanzenproben – vielleicht sogar als Suchsel? Im Idealfall fertigen Ihre SuS auch ein Inhaltsverzeichnis an, damit der Überblick über die gesammelten Pflanzen schnell gelingt.
Herbarbogen
Der Herbarbogen besteht aus der gepressten Pflanze oder ihren Teilen sowie den bereits genannten Informationen. Für den Aufbau der einzelnen Seiten gibt es Variationsmöglichkeiten. Denkbar sind z. B. vorgefertigte Etiketten, die Ihre Schülerinnen und Schüler mit Informationen füllen. Kreative Köpfe entscheiden sich vielleicht eher dafür, jede Seite ein wenig anders zu gestalten. Das ist nicht unbedingt wissenschaftlich, führt aber zu einem ästhetischen Ergebnis, einer Menge Spaß und demselben Lerneffekt.
Außerdem können Ihre SuS die gepressten Pflanzen durch einen Lexikoneintrag, Fotos, eigene Zeichnungen, ihre eigenen Gedanken oder ein Tütchen mit Samen ergänzen. Entscheiden Sie selbst, wie viel künstlerische Freiheit Sie ihnen gewähren. Wie immer ist die intrinsische Motivation entscheidend: Je mehr Spaß Ihre Schülerinnen und Schüler am Erstellen und Bewundern ihres Herbariums haben, umso höher ist auch die Wahrscheinlichkeit, dass sie gewissenhaft arbeiten und sich auch künftig auf und über ähnliche Projekte freuen.
Erstellung eines Herbariums
Planen Sie für die Erstellung ausreichend Zeit ein. Bis die Pflanzenteile gepresst sind, vergehen einige Wochen. Wenn Sie darüber hinaus eine Vorgabe wie z. B. 15 Baumarten machen, werden vielleicht einige fleißige Sammler nach Nummer 11 an ihre Grenzen kommen und mehr Zeit benötigen, um weitere vier Baumarten aufzustöbern.
Mit einem Vorlauf von zwei bis drei Monaten sind Sie und Ihre Kinder auf der sicheren Seite. Das eigene Herbarium wird so zum krönenden Abschluss einer Unterrichtsreihe und niemand gerät unter Zeitdruck.
Das Sammeln der Pflanzen
Beim Sammeln sollten die Schülerinnen und Schüler ihre nähere Umgebung unter die Lupe nehmen, anstatt im Sommerurlaub die Flora Griechenlands zu rupfen. Das hat nicht nur logistische Vorteile, sondern vermeidet auch Probleme mit Naturschutz- oder Ausfuhrbestimmungen anderer Ländern sowie Schwierigkeiten mit der Bestimmung. Außerdem sollen die Kinder vor allem etwas über ihr Umfeld und somit heimische Pflanzen lernen. Auch da ist die Unterscheidung nicht allzu leicht. Die Robinie findet man beispielsweise mittlerweile vielerorts in Deutschland, obwohl sie ursprünglich nur in Nordamerika beheimatet war.
Beim Anlegen eines Herbariums geht es auch darum, Ihre SuS mit dem Sammeln und Pressen vertraut zu machen. Ergänzend sind aber auch Fotos denkbar, z. B. der gesamten Pflanze, oder auch stellvertretend für die Probe, wenn die Pflanze unter Naturschutz steht. Bestenfalls sind Ihre SuS aufgrund des Vorwissens am Fundort der Pflanze in der Lage, sie zu bestimmen, und können sich vor Ort bereits Notizen machen. Der Transport der Pflanzenteile gelingt am besten luftig und zügig, z. B. in einer Papiertasche. So bleiben die Pflanzen bis zum zeitnahen Pressen frisch, bekommen keine Druckstellen, welken nicht und bilden beim Transport kein Kondenswasser. Bei Regen sammelt es sich daher nicht so gut.
Naturschutz
Nicht alle Pflanzen dürfen gepflückt werden. Laut Bundesartenschutzverordnung gibt es streng geschützte Pflanzen, die völlig tabu sind. Besonders geschützte Pflanzen darf man hingegen pflücken, solange die Wurzeln unbeschädigt bleiben, die Pflanze also nachwachsen kann.
Tatsächlich fallen nur 33 von 173 farnartigen Pflanzen und Blütenpflanzen in Deutschland in die Kategorie der streng geschützten Pflanzen. Die Gefahr, eine davon zu pflücken, ist also verhältnismäßig gering, zumal Ihre SuS wahrscheinlich eher in ihrem Wohngebiet statt in alpinen Biotopen unterwegs sind. Hier finden Sie eine vollständige Liste.
Das Bestimmen der Pflanzen
Wahrscheinlich und logischerweise behandeln Sie heimische Pflanzen im Unterricht, wenn Sie die Erstellung eines Herbariums planen. Der Inhalt des Herbariums sollte selbstverständlich mit den Unterrichtseinheiten korrelieren. Lernen Ihre SuS also gerade heimische Bäume kennen, liegt die Beschränkung des Herbariums auf Bäume nah. Wählen Sie dann als Erstellungszeitraum den Herbst, sammeln Ihre Kinder nicht nur bunte Blätter, sondern auch die dazugehörigen Früchte der Bäume – und im Frühling entsprechend deren Samen.
Vielleicht planen Sie aber auch eine kleine Kräuterkunde. Bei einer Kräuterführung im Wald oder in Kräutergärten können Sie gemeinsam mit Ihren Kindern die Theorie durch die Praxis erweitern. Auch das Anlegen eines eigenen Kräutergartens inklusive Verköstigung liegt da nah. Genauso können Sie sich natürlich für den Fokus Blume oder Strauch entscheiden.
Krautige Pflanzen finden Ihre SuS zuhauf auf Brachflächen, Wildwiesen oder an Feldrändern; eine tolle Gelegenheit, sich die Vielfalt wahrscheinlich zum ersten Mal genauer anzuschauen. Anschließend können Sie gemeinsam Ihr Wissen erweitern: Welche der Pflanzen sind essbar (und wie schmecken sie?), welche gelten als Hausmitteln gegen gesundheitliche Beschwerden? Bestimmt sind auch einige dabei, deren Namen zum Erfinden lustiger Geschichten oder Bilder einladen.
Zu allen Kategorien gibt es (im Internet) umfangreiche Sammlungen, die das Bestimmen erleichtern, aber natürlich auch Bücher als Nachschlagewerke. So steigt die Wahrscheinlichkeit, dass Ihren SuS das Bestimmen auch ohne fremde Hilfe leichtfällt und sie das gelernte Wissen selbstständig anwenden.
Kreative Pflanzennamen
Im Trachtkalender für heimische krautige Pflanzen für Schleswig-Holstein haben wir unsere Favoriten gefunden:
- Bärenklau und Bocksbart
- Ehrenpreis und Eisenhut
- Ferkelkraut und Fetthenne
- Gundermann und Kriechender Günsel
- Sumpf-Haarstrang und Dornige Hauhechel
- Mausohr-Habichtskraut und Echtes Herzgespann
- Taumel-Kälberkopf und Katzenpfötchen
- Mehlige Königskerze und Dunkle Wiesen-Kuhschelle
- Echtes Mädesüß und Märzbecher
- Kleiner Odermennig und Sumpf-Schlangenwurz
- Stinkender Storchschnabel und Teufelsabbiss
- Wiesen-Wachtelweizen und Waldmeister
- Winterling, Wiesen-Witwenblume und Ufer-Wolfstrapp
Tatsächlich klingen manche Aufzählungen bereits nach einem Märchentitel oder lassen interessante Bilder vor dem geistigen Auge entstehen. Vielleicht haben Sie also Lust, mit Ihren SuS auch die Namensherkunft solcher Zeitgenossen herauszufinden, obwohl diese nicht im Herbarium landen.
Quelle: https://www.stiftungsland.de/fileadmin/pdf/Trachtkalender/SN_Trachtkalender_HeimKraut_A4_20160526_A.pdf
Das Pressen der Pflanzen
Das Pressen gelingt am besten mit einer Blumenpresse, weil der Druck höher ist und das Pressen daher weniger lang dauert. Außerdem besteht nicht die Gefahr, dass empfindliche Pflanzenteile beschädigt oder nicht vollends trocken werden, wie es beispielsweise beim Pressen in Büchern zwischen Küchen- oder Löschpapierschichten passieren kann.
In unserem Onlineshop finden Sie die große Blumenpresse. Auch die Blumenpresse aus Holz mit acht Etagen bietet genug Platz für professionelles Pressen. Für den erforderlichen Druck sorgen die vier Schrauben, die Ihre SuS ohne viel Kraftaufwand anziehen und sie im Abstand von ein paar Tagen auch immer wieder nachziehen. Das eingelegte Papier nimmt die Feuchtigkeit auf, ohne an den Pflanzen kleben zu bleiben. Die Kinder müssen lediglich beachten, dass die verschiedenen Pflanzen sich beim Pressen nicht überlappen. Nach ein paar Wochen sind die Exponate fertig gepresst. Dann entnehmen die SuS sie vorsichtig kleben sie z. B. mit Klebestreifen auf eine Seite des Herbariums.
Ungeduldige können auch das Bügeleisen benutzen, doch dafür ist natürlich Fingerspitzengefühl gefragt. Es genügt, die Pflanzen ca. 20 Sekunden auf einer niedrigen Stufe durch ein Blatt Papier zu bügeln, um sie zu trocknen. Achtung: Zu viel Hitze zerstört die Pflanzen, während eine zu kurze Bügelzeit ihnen nicht die gesamte Flüssigkeit entzieht, weswegen sich die Pflanzenteile später noch verformen oder auch schimmeln können.
Tipp: Sollten Sie sich für ein Herbarium entscheiden, das auch größere, also dickere Blüten erlaubt, empfiehlt es sich, die Blütenblätter auszuzupfen, die Bestandteile einzeln zu pressen und anschließend auf dem Herbarbogen in der richtigen Anordnung zu fixieren.
Holz-Blumenpresse
Exkursions-Koffer Natur
Große Blumenpresse
Lesestoff:
Deckert, Sabine: Blumen pressen: So klappt das Konservieren der Blüten und Blätter, 25.02.2022:
https://www.haus.de/garten/blumen-pressen-33946
Universität Zürich: Was ist ein Herbarium?:
https://www.herbarien.uzh.ch/de/informationen.html
Wissen inklusiv: Herbarium anlegen – Anleitung ausführlich:
https://wiki.wisseninklusiv.de/herbarium-anlegen-anleitung-ausfuehrlich/
Pflanzenbestimmung allgemein:
https://pflanzenbestimmung.info
https://pflanzenstimmung.de
interaktive Pflanzenfinder:
https://www.pflanzen-bestimmung.de
https://www.plantopedia.de/pflanzenbestimmung/
Pflanzenbestimmung per Hochladen eines Bildes:
https://identify.plantnet.org/de
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