Zocken macht schlau: Plädoyer für junge Gamer
Elisa Morel
Zocken ist für die einen ein entspannendes, unterhaltsames Hobby, für die anderen noch immer stupide Zeitverschwendung. Wer der einen Fraktion angehört, lässt sich nicht vom Gegenteil überzeugen – und umgekehrt. Wir wollen im Folgenden eine Brücke schlagen.
© Rokas, Adobestock.com
Könnten Gamer durch ihr Hobby vielleicht sogar Vorteile haben? Inmitten der Digitalisierung und gestützt durch Studien zum Thema Zocken drängt sich dieser Gedanke auf. Es scheint logisch zu sein, denn wer regelmäßig etwas tut, wird wie beim Lesen oder Fitnesstraining in vielen Bereichen besser. In diesem Beitrag erfahren Sie, wie Computer- und Konsolenspiele die Lernkompetenz fördern, welche Spiele für junge Gamer geeignet sind und wie Sie digitale Spiele im Unterricht sinnvoll einsetzen.
Inhalt
1. Zocken – ein Hobby wie jedes andere?
2. Games für Grundschüler
2.1. Spiele zum Lernen
2.1.1. Kerbal Space Program – Auf ins All!
2.1.2. Spiele von Osmo und Edurino – ein digitaler und analoger Mix
2.1.3. Professor Tims verrückte Werkstatt – Verkettung unglaublicher Gegenstände
2.2. Spiele, die jungen Zockern einfach Spaß machen
2.2.1. Managing Spiele – Eustress nicht ausgeschlossen
2.2.2. Minecraft – blockweise Kreativität
Games für Grundschüler
Gerade Kinder müssen natürlich vor jugendgefährdenden Inhalten geschützt werden. Brutalität, Horror, sexuelle Handlungen usw. haben daher auf Handys, PCs und Konsolen von Grundschülern nichts verloren. Durch die FSK-Angabe lassen sich diese Fälle einfach vermeiden, doch auf der wirklich sicheren Seite sind Sie erst, wenn Sie die Spiele vorher selbst ein wenig testen oder dazu recherchieren.
Denn auch Spiele mit einer Freigabe ab sechs können für einzelne Kinder verstörende Elemente beinhalten (und wenn es nur die Musik ist), sich am Rand mit Themen wie psychischen Krankheiten beschäftigen oder zweideutige Gesprächsinhalte haben, die Kinder im besten Fall nur einfach nicht verstehen. The Sims beispielsweise ist ein großartiges Spiel, aber gegen seinen Willen von einem Vampir gebissen zu werden oder zu beobachten, wie der eigene Avatar zum zensierten Sex in der Dusche verschwindet oder gar stirbt (inklusive Erscheinen des Sensenmanns), ist für die meisten Grundschüler wohl kaum angebracht.
Auf YouTube gibt es zahlreiche erklärende Walkthroughs, Playthroughs oder Tests zu so ziemlich allen Spielen, sodass Sie innerhalb einiger Minuten einen guten Eindruck von Schwierigkeit, Atmosphäre und Kindertauglichkeit bekommen, wenn Sie sich nicht selbst an einem Spiel versuchen möchten.
Es gibt Tausende tolle Games für jüngere Kinder in Dutzenden unterschiedlicher Kategorien. Gaming ist ein Universum für sich. Wer sich damit nie befasst hat, aber seinen Kontakt zu kleinen Zockern verbessern will, sollte sich ein wenig damit auseinandersetzen – spannend ist das Thema allemal.
Und da Gaming auch für jüngere Kinder immer selbstverständlicher wird oder die Eltern mittlerweile auch der Gamer-Generation entstammen, wächst glücklicherweise auch die Akzeptanz, sodass Zocker sich nicht mehr so häufig für ihr faules, sinnloses Hobby rechtfertigen müssen. (Gibt es eigentlich fleißige Hobbys, bzw. ist es faul, drei Stunden am Stück Fortschritte zu machen? Und kann etwas, das Spaß macht und entspannt, sinnlos sein?)
Spiele zum Lernen
Ohne Zweifel gibt es Unmengen geeigneter Spiele in dieser Kategorie. In der Link-Liste am Ende des Beitrags finden Sie außerdem einige Initiativen, die Lehrende bei der Nutzung von Computerspielen im Unterricht beraten und unterstützen.
Mittlerweile gibt es gerade für ältere Schüler viele lehrreiche Spiele zu so ziemlich jedem Thema: Escape Rooms, Fremdsprachen, soziale Themen, Geschichte, Politik und Naturwissenschaften werden den Kindern anschaulich und interaktiv vermittelt. Gamification ist klar auf dem Vormarsch. Für Grundschüler gibt es häufig eher Lernsoftwares, die spielerisch Lernprozesse unterstützen, aber strenggenommen keine Computerspiele sind.
Manchmal sind Sie tatsächlich gut beraten, auf ältere Spiele zurückzugreifen. Windows-Spielpakete aus vergangenen Jahren beinhalten beispielsweise viele kleine Puzzle-Spiele. Mehrere Spiele-Seiten im Internet bieten vor allem ältere, kleine oder lehrreiche Spiele kostenlos an, z. B.:
- Kongregate (weniger Auswahl nach Ende des Adobe Flash Players)
- Spielaffe
- Silvergames
- 1001spiele
Dort finden Sie Spiele aus nahezu jeder Kategorie: Klassiker wie Worms, Farmspiele, Mahjong oder Rätselspiele, die Sie über die Suchfilter in Sekundenschnelle finden.
Auch ein regelmäßiger Blick in die Angebote von Steam, Good Old Games (GOG) oder Epic Games lohnt sich. Einige interessante Spiele für Jüngere stellen wir Ihnen nachfolgend kurz vor.
Kerbal Space Program – Auf ins All!
Raketenbau, Umlaufbahnen, Gesetze der Physik und Wissen über reale Weltraummissionen – dieses Spiel ist komplex und sehr lehrreich. Offensichtlich ist gerade ein zusätzliches Programm in der Entstehung, das Grundschullehrkräfte dabei unterstützen soll, Kerbal (anscheinend vereinfacht) im Unterricht einzusetzen.
An Technik interessierte Kinder oder solche, die es werden wollen, können Stunden mit der Optimierung ihrer Rakete verbringen und den niedlichen Avatar immer wieder in den Weltraum schicken, bis sie ihr selbst gesetztes Ziel erreichen.
Das Spiel ist friedlich und wirkt recht unspektakulär, ist jedoch auf keinen Fall zu unterschätzen. Die Entwickler arbeiten mit der NASA zusammen und integrieren basierend auf realen Daten beispielsweise Asteroiden und vergangene Missionen in das Spiel.
Spiele von Osmo und Edurino – ein digitaler und analoger Mix
Mit Spielen von Osmo lernen Grundschulkinder spielerisch den Umgang mit Geld, Programmieren, Grundrechenarten, Buchstabieren, geometrisches Verständnis oder das Führen einer Pizzeria. Das Besondere an den Spielen ist die Kombination analoger und digitaler Elemente: Die Kinder belegen beispielsweise eine Papp-Pizza mit den passenden Zutaten aus Pappe und die Kamera erfasst die fertige Kreation. Auch die Coding-Elemente für kleine Programmierer stecken die Kinder mit den Händen zusammen. Edurino ist ebenfalls Digitales Lernen zum Anfassen. Mithilfe von Eingabestift, Spielfigur und App lernen Kinder wie spielend leicht das Rechnen-, Lesen- und Schreibenlernen funktioniert. Dabei helfen die schlauen Figuren Mika und Robin sowie die gemeinsam Lernübungsmissionen … Osmo und Edurino finden Sie selbstverständlich auch in unserem nigelnagelneuen Onlineshop.
Professor Tims verrückte Werkstatt – Verkettung unglaublicher Gegenstände
The Incredible Machine (TIM) ist wahrlich kein junger Hüpfer mehr. 1992 wurde der erste Teil veröffentlicht. Der Spieler baut auf dem anfangs fast leeren Bildschirm mithilfe von Toastern, Zahnrädern, Katzen, Wippen, Eimern und allen möglichen anderen Gegenständen eine Konstruktion, um z. B. einen Ball in einen Korb zu befördern. Die so entstehenden Maschinen, die auf Kettenreaktionen beruhen, werden Rube-Goldberg-Maschinen genannt. Die Schwierigkeitsgrade variieren und mittlerweile gibt es sechs Teile, die nicht nur kurzweiligen Spielspaß versprechen, sondern den Spielern auch Grundgesetze der Schwerkraft und Mechanik vermitteln – kreatives Problemlösen inklusive.
Spiele, die jungen Zockern einfach Spaß machen
Kinder spielen gerne, egal ob analog oder digital. Doch da die digitale Welt immer ausgefeilter wird, steigt natürlich auch ihre Attraktivität. Sogar, wenn Sie nicht die Möglichkeit haben oder sich einfach nicht dazu durchringen können, Computerspielen Einlass in Ihren Unterricht zu gewähren, zocken Ihre SuS oft privat. Und dann vielleicht einige der Spiele, die wir im Folgenden vorstellen.
Managing Spiele – Eustress nicht ausgeschlossen
Ob Fußballverein, das eigene Ferienressort, Dorf oder Restaurant – dieses Spielgenre ist sowohl komplex als auch abwechslungsreich und zeitintensiv. Es gibt kostenlose Varianten im Internet, z. T. als Browserspiel, und natürlich auch kostenpflichtige Spiele für Handy, PC oder Konsole.
Mitarbeiter, Finanzen und Ressourcen müssen verwaltet, Gebäude erweitert, Reisen geplant, Termine eingehalten werden. Die Möglichkeiten sind von Spiel zu Spiel schier endlos und es gibt immer irgendetwas, das man auch nach Jahren noch verbessern oder neu entdecken kann.
Viele Planspiele kennt manch einer noch aus seiner eigenen Schulzeit, z. B. das Börsenspiel im Wirtschaftsunterricht. Natürlich gibt es auch das mittlerweile als App. Doch der Grundgedanke ist gleichgeblieben, und je nachdem, für welches Spiel man sich entscheidet, bekommt man Einblicke in sehr unterschiedliche Bereiche.
Minecraft – blockweise Kreativität
Ressourcensammeln, Gebäudebau, Jagd, Gärtnern, Kampf, Handwerk, etc. zusammen mit Kombinationstalent machen in diesem Spiel nahezu alles möglich. Fleißige Spieler mit Ausdauer bauen sich in mindestens Hunderten von Spielstunden unglaubliche Kreationen: Los Angeles, (Raum-)Schiffe oder das Harry-Potter-Universum kann man in entsprechenden YouTube-Clips bewundern.
Minecraft hat mit mehr als 600 Millionen Spielerkonten (mehr als zwei Drittel davon kostenlos) laut Wikipedia die größte Gesamtspielerbasis aller Zeiten. Und auch in Schulen ist Minecraft vor Jahren angekommen: MinecraftEdu setzt sich für die Kooperation mit Schulen ein und erreichte damit im Jahr 2012 eine Viertelmillion Schüler.
Ohne Zweifel lernt man in diesem Spiel u. a. vorausschauendes Denken, Konstruktion, räumliches Denken und Problemlösungsstrategien. Mit einer Menge Spaß dabei. Die kostenlose Minecraft-Version Minetest ermöglicht Ihren SuS u. a. das teamorientierte Arbeiten an Langzeitprojekten, z. B. die Erbauung einer Stadt.
Was lernen Kinder durchs Zocken?
Was und wie viel jemand durch Computerspiele lernt, hängt natürlich stark von den jeweiligen Spielen und Genres ab. Auch die investierte Zeit spielt sicherlich wie bei allen Lernprozessen eine Rolle.
Zudem hat jeder unterschiedliche Präferenzen und Fähigkeiten. „Sage mir, was du liest, und ich sage dir, wer du bist“ lässt sich auch auf die Spielwahl übertragen. Und auch die Frage nach Huhn und Ei kommt hier auf: Lerne ich, Prozesse zu organisieren, weil ich entsprechende Spiele spiele, oder entscheide ich mich aufgrund meiner eigenen Affinität zu organisatorischen Aufgaben für dieses Genre?
Eine Studie der Universität Bochum belegt, dass Kinder, die mehr als 15 Stunden wöchentlich Action-Spiele zocken, neue Situationen schneller erfassen und auch neues Wissen zügiger kategorisieren können – „vor allem in Situationen mit hoher Unsicherheit“, wie eine Mitarbeiterin sagt. Während des Tests sollten die Kinder Symbolkombinationen mit Ereignissen in Zusammenhang bringen, also die Bedeutung des Codes entschlüsseln. Bei den Gamern war der für Lernen und Gedächtnis zuständige Hippocampus aktiver als bei der spielabstinenten Vergleichsgruppe.
Durch Computerspielen lernt man also etwas – vielleicht sogar das Lernen an sich. Weitere Fähigkeiten, die durch Zocken gestärkt werden, sind z. B. die folgenden:
- Konzentration, Geduld und Zielstrebigkeit
In vielen Spielen brauchen die Story (Geschichte) oder Skills (Fähigkeiten) Zeit, bis sie sich entwickeln. Oder es dauert Wochen bis Monate, bis man ein bestimmtes Level erreicht oder es wird geübt, während natürlich regelmäßig Fähigkeiten und Errungenschaften freigeschaltet werden, damit das Belohnungszentrum fleißig getriggert wird.
- Feinmotorik, Hand-Augen-Koordination und Reaktionsgeschwindigkeit
Wer sich an Sportspielen aller Art versucht, wird schnell merken, wie herausfordernd es sein kann, die Steuerung zu beherrschen. Also gibt man dieses Spielgenre entweder sofort wieder auf (wie ich selbst, mit Ausnahme von MarioKart, weil ich da ohne zu bremsen durchkomme) oder wird zum Meister seines Fachs. Auch ein Klassiker wie Worms verlangt ein gutes Gefühl für den richtigen Winkel und genaues Zielen, was in den ersten Versuchen gar nicht so einfach ist.
- Merkfähigkeit
Die Beispielliste ist endlos: Manchmal muss man sich den richtigen Weg oder Ort einprägen, in anderen Spielen Eigenschaften von Charakterklassen oder Ausrüstungsgegenständen im Kopf haben, in wieder anderen genau auf Hinweise in Dialogen achten oder die Mechanik bestimmter Gegner kennen. Und wenn nicht? Tja, dann wird man in den meisten Fällen nicht weiterkommen. Also merkt man es sich, schlägt es nach, schreibt es auf … Dabei wollte man doch eigentlich nur spielen.
- Logisches, strategisches und räumliches Denken
Nicht nur Strategie- und Aufbauspiele wie die Anno-Reihe, Rimworld oder Minecraft erfordern langfristige Planung und vorausschauendes Denken. Selbst Mini-Spiele oder Handygames wie Candy Crush oder Bubble Shooter verzeihen wahlloses Klicken oder Tippen nur kurze Zeit.
Spiele, in denen man selbst eine Stadt er- oder Gebäude einrichtet, verlangen zudem auch räumliches Vorstellungsvermögen, damit z. B. bei den Sims die Möbel dort Platz finden, wo sie hingehören, oder bei Anno die Feuerwehr eine Straßenanbindung zum Haus hat, das hoffentlich außerdem in Reichweite liegt.
Und bei Spielen, die den Fokus auf Managing legen, kommt man auch als geübter Spieler schnell ins Schwitzen, wenn man rechtzeitig alle Aufgaben erledigen und alle Figuren glücklich machen will. Im Gespräch mit so manchem Prozessoptimierer, ob als Beruf oder nur im Privatleben, stellt sich heraus, dass er noch immer in seiner Freizeit gerne Spiele spielt, in denen er Produktionsketten optimiert, Kosten einspart oder Flugrouten plant – und immer besser darin wird.
- Medienkompetenz
Wer schon in jungen Jahren mit Technik vertraut ist, profitiert im weiteren Leben davon. Abgesehen vom Bedienen des PCs, der Konsole usw. erfordern viele Spiele tieferes Verständnis der digitalen Welt, z. B., wenn man Spieletipps, Tests (oder Cheats und Easter Eggs, also versteckte und oft lustige Extras) im Internet recherchiert.
Viele Grundschüler wissen heutzutage, wie man innerhalb weniger Minuten ein YouTube-Video hochlädt oder das eigene Spiel streamen (live übertragen) kann. Zudem ist kleinen und großen Zockern ihr Spielgerät oft heilig. Wenn es also einen Defekt hat, fuchsen sich viele so lange in die Materie, bis sie ihn selbst beheben können.
Natürlich werden nicht alle jungen Gamer später IT-Spezialisten. Doch in dieser Branche gibt es viele, die auch als Erwachsene leidenschaftlich zocken, ihre jetzt beruflich wichtigen Kenntnisse teilweise schon im Kindesalter erworben haben und irgendwann mit ihrem Hobby, ihrem technischen Geschick oder einfach ihrer Faszination für die virtuelle Welt, auf die eine oder andere Weise Geld verdienen. Dass die IT-Branche immer zukunftsträchtiger wird, wissen und erleben wir alle.
- Mathe
Ob es nur das Berechnen von Durchschnitten, die Addition von Boni, das Sparen auf bestimmte Gegenstände oder gleich das Durchschauen eines gesamten Marktsystems ist: Ohne Zahlen kommt kaum ein Spiel aus.
In manchen Games für Ältere gestaltet sich beispielsweise das Berechnen von Wahrscheinlichkeiten so komplex, dass es dafür eigene Programme gibt. Und es gibt viele Spieler, die genau an solchen Tüfteleien Spaß haben, auch wenn sie Stunden bis Tage und / oder unzählige Versuche brauchen, um ihre persönliche optimale Waffe, Rüstung oder Fähigkeit zu bekommen.
- Wahlweise Team- und Kommunikationsfähigkeit
Ob Koop oder Gilde – in vielen Spielen kommt man entweder nur oder zumindest deutlich besser voran, wenn man mit anderen zusammenarbeitet, oder man zockt aus Freude gemeinsam mit Freunden. Wer sich nicht an Regeln hält oder die schriftliche oder mündliche Kommunikation nicht beherrscht, bekommt schnell negative Konsequenzen zu spüren. Umso schöner ist der gemeinsame Erfolg.
Kinder sollten natürlich nicht über das Internet mit Menschen in Kontakt treten, die sie nicht persönlich kennen.
- Wahlweise Englisch oder andere Fremdsprachen
Das gilt nicht nur für Lernspiele. Viele Spiele lassen sich auch in anderen Sprachen als Deutsch spielen, was ein Anreiz zum Lernen sein kann, vor allem, wenn man den Spielinhalt schon kennt. Jugendliche kommunizieren oft weltweit mit anderen Spielern, meist entweder mündlich via TeamSpeak oder Discord oder schriftlich im spielinternen Chat.
Abgesehen davon ist die Gamer-Sprache durchsetzt von englischen Begriffen (und deren eingedeutschten Abwandlungen): area, unique, damage, crafting, skill, spawn, fail, loot, item, drop, event, dungeon, achievement, cheat oder bug sind oft schon jungen Zockern geläufig. Und zugegeben, dieser Jargon treibt manchmal in den Augen Uneingeweihter bunte Blüten: „Wenn der Boss in dem Area spawnt, droppt er echt ne Menge loot und sogar unique items!“
- Wahlweise Empathie und / oder Toleranz
Viele Spiele wie Stardew Valley sind darauf ausgerichtet, Freundschaften mit (in diesem Fall lobenswerterweise sehr diversen) Spielfiguren zu knüpfen und in Dialogen passende Antworten auszuwählen. Oft haben die Entscheidungen Konsequenzen für den weiteren Spielverlauf und eliminieren einen kompletten Handlungsstrang, wollen also gut überlegt werden. (So habe ich es in über 10 Jahren nicht ein einziges Mal übers Herz gebracht, mich in Stardew Valley für den Kapitalismus und damit gegen die Dorfgemeinschaft zu entscheiden. Ich weiß bis jetzt nicht, wie das Spiel sich dann entwickeln würde. Ich mutmaße, ich würde aus dem Dorf geworfen und zumindest all meine Pixel-Freunde sehr enttäuschen.)
- Wissen: historisch, mythologisch, physikalisch, psychologisch usw.
Wer die Sims spielt, lernt eine Menge über psychische Bedürfnisse, Charaktereigenschaften und zwischenmenschliche Beziehungen. Viele Fantasy-Spiele nutzen historische oder mythologische Elemente, während sich in Sportspielen und Kampfszenen naturwissenschaftliche Gesetze wiederfinden.
Wenn man von simpleren Spielen wie Kartenspielen oder Candy Crush, so genannten Gelegenheitsspielen, absieht, wird es kaum ein Spiel geben, das nicht auf die eine oder andere Art Wissen vermittelt – und sei es, dass man Lampenöl aus Walen machen kann oder Zimt an Bäumen wächst. Apropos Kartenspiel: Wie viele Karten ein Deck hat, entpuppt sich manchmal als Grundwissen für Matheaufgaben, wenn auch eher nach der Grundschule.
Zocken im Unterricht?!
Klar. Was auch immer Schüler motiviert, ihren Alltag betrifft, ihnen beim Lernen hilft, sollte genutzt werden. An weiterführenden Schulen gibt es bereits Projekte, in denen der Klassenverband an sich fächerübergreifend spielt und die Schüler in ihrer Rolle als Magier oder Kämpfer verschiedene Aufgaben übernehmen oder Boni beim Klassenlehrer eintauschen können.
Der Einsatz von Computerspielen oder ihren Elementen muss natürlich organisiert werden. So effektiv manche Apps oder Browserspiele sein mögen, um z. B. das Kopfrechnen oder das logische Denken zu verbessern, vermutlich werden nur wenige Lehrpersonen 25 Schüler spontan auffordern, ihre Handys zu zücken und einfach mal 10 Minuten zu üben (sofern denn alle Kinder ein Handy haben).
In vielen Schulen lässt die digitale Ausstattung zudem noch zu wünschen übrig, sodass es nahezu unmöglich ist, allen SuS kontrollierten Zugang zu denselben Spielen zu gewähren. Aber wenn Sie Zugriff auf Tablets oder einen Computerraum haben, begeben Sie sich einfach mal auf die Internetsuche nach geeigneten Spielen Ihres Wahlthemas. Für viele Kinder wird sich eine Unterrichtsstunde, in der sie „nur spielen“ dürfen, wie eine Belohnung und keinesfalls wie Lernen anfühlen.
Davon abgesehen gefällt es vielleicht auch den Kindern, ihr persönliches Lieblingsspiel den anderen vorzustellen. Nicht ausgeschlossen, dass Sie auch dadurch inspiriert werden, Computerspiele hin und wieder im Unterricht zu nutzen – oder einfach nur zu thematisieren.
Meine persönlichen Evergreens für Kinder im Grundschulalter:
Stardew Valley
Ein wunderbares Spiel, das man immer wieder (anders) spielen kann: Nach dem Tod des Großvaters erbt der Spieler dessen vernachlässigte Farm in einem kleinen Dorf und entflieht so dem tristen Leben in der Stadt. Fortan pflanzt er an, knüpft Freundschaften, hält Tiere, sammelt Ressourcen, angelt, baut seine Farm aus, löst Quests, schaltet nach und nach neue Gebiete frei und entdeckt auch nach Jahren noch Neues.
Stardew Valley stammt von einem einzigen Entwickler mit viel Liebe zum Detail und ist nicht nur abwechslungsreich und liebenswert, sondern auch in seinem Charakterdesign sehr vielschichtig. Außerdem kann man es gemeinsam mit Freunden spielen, was das Management deutlich entspannter macht.
Areale mit Monstern sind aufregender als in den beiden anschließend genannten Spielen und somit wahrscheinlich nicht für jeden Erstklässler empfehlenswert, auch wenn die Freigabe bei 6 Jahren liegt.
My time at Portia
Auch hier ist man neu in einem Dorf – diesmal allerdings als Handwerker und mit Blumentöpfen zum Gärtnern. Die Welt ist groß, die Gebiete vielseitig, die Dorfbewohner wollen sich mit dem Spieler verabreden und im Rathaus hängen handwerkliche Gesuche, die auf Erfüllung warten.
Ein sanftes Spiel, in dem der Fortschritt länger braucht als bei Stardew Valley und die Grafik detaillierter ist. Auch Kampfszenen wirken insgesamt friedlich. Wer einmal anfängt, mag Portia so schnell nicht mehr verlassen – weil es so schön ist und es außerdem so viel zu tun gibt.
Yonder: The Cloud Catcher Chronicles
Man könnte es das pazifistische Zelda nennen: In einer riesigen Welt befreit der Spieler verschiedene Areale von der um sich greifenden Dunkelheit, unterstützt von putzigen Helferlein, die er nach und nach befreit – und Bäume (nach)pflanzt. An verschiedenen Stellen können Farmen errichtet und Tiere dafür gezähmt werden.
Natürlich gibt es zahlreiche Bewohner mit ebenso zahlreichen Aufgaben. Und viele, viele sammelbare Ressourcen, aus denen man viele, viele Gegenstände herstellen kann. Langatmig, aber nicht langweilig, gewaltfrei und einfach tiefenentspannend garantiert Yonder Spielspaß über Jahre, wenn man diese Art von Spielen mag.
Anno (welcher Teil, ist Geschmackssache)
Auch wenn das Spiel aufgrund der Komplexität und Langfristigkeit eher älteren Kindern angeraten wird, liegt die offizielle Altersfreigabe bei 6 Jahren.
Der Spieler besiedelt eine Insel und gründet ein Dorf. Die Bewohner haben mit steigender Gesellschaftsklasse anspruchsvollere Bedürfnisse, die durch Handel oder die Besiedlung weiterer Inseln und dortigen Anbau verschiedener Güter erfüllt werden müssen.
Gerade die älteren Teile sind vergleichsweise simpel, und man braucht generell nicht unbedingt große Flotten oder Handelsrouten, um im Spiel Erfolg zu haben. Die Schwierigkeit ist anpassbar, man kann gemeinsam mit Freunden spielen und der nette Erzähler erinnert im Zwei-Stunden-Takt mit unterhaltsamen Kommentaren daran, wie lange man bereits spielt.
Rollercoaster Tycoon (welcher Teil, ist Geschmackssache)
Hier baut der Spieler seinen eigenen Vergnügungspark, von Imbissbuden über Fahrgeschäfte bis hin zu sanitären Anlagen. Je nach Teil auch mit anderen Attraktionen wie Zootieren. Die Gäste haben gemischte Vorlieben und so muss der Parkdirektor sich mächtig ins Zeug legen, um alle Wünsche zu erfüllen.
Besonders reizvoll ist der individuelle Bau von Achterbahnen, die physikalischen Gesetzen unterliegen. So sind zu scharfe Kurven oder zu viel Schwerkraft suboptimal, wie man als Testfahrer leicht feststellen kann.
SuperMario in allen Variationen
Ein Klassiker. Mit Mario haben Kinder endlos Spaß, egal mit welchem Spiel. Minispiele, Mario Kart oder Jump ’n’ Run: Auch nach vielen Jahren haben kleine und große Zocker Freude an Marios Abenteuern und leveln nebenher zahlreiche Fähigkeiten im echten Leben.
Donkey Kong in allen Variationen
Ein weiterer Oldie but Goldie, nur mit Gorilla. Ob Geschicklichkeitsspiele oder das Trommeln bekannter Lieder – zusammen mit Freunden vergeht die Zeit im Flug. Wie SuperMario niedlich, harmlos, knifflig, hektisch (nicht zuletzt durch die Musik) und somit zwar ein großer Spaß, aber subjektiv eher aufputschend statt entspannend.
Lesen Sie mehr:
Interview mit Werner Stangl: Serious Games – Computerspiele im Unterricht:
https://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/LEHREN/Computerspiele-Unterricht.shtml
Grüling, Birk: Computerspiele im Unterricht: Warum Games in die Schule gehören, 2018:
https://www.game.de/publikationen/computerspiele-im-unterricht-warum-games-in-die-schule-gehoeren/
Spiele samt Unterrichtskonzepten für verschiedene Fächer von der Medienanstalt für Baden-Württemberg:
https://games-im-unterricht.de/games-und-konzepte
Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft: Games im Unterricht:
https://www.gew.de/bildung-digital/games-im-unterricht
lehrer-online: Themensammlung zu Mediennutzung und Medienkompetenz:
https://www.lehrer-online.de/fokusthemen/dossier/do/computerspiele-im-unterricht/
von Linden, Jakob: Learning by Gaming: Computerspiele kommen endlich in der Schule an, 24.01.2019:
https://t3n.de/magazin/learning-gaming-computerspiele-kommen-endlich-schule-247046/
Rybarczyk, Scarlett; Schmidt, Sascha: Computerspiele im Unterricht mit Beispielen für Gamification und Serious Games:
https://www.lmz-bw.de/medienbildung/themen-von-a-bis-f/digitale-spiele/computerspiele-im-unterricht/
Luig, Judith: Machen Computerspiele Schüler besser?, 07.05.2019:
https://www.zeit.de/gesellschaft/schule/2019-03/virtuelles-lernen-gamification-schueler-unterricht
News4Teachers Bildungsmagazin: Computerspiele im Unterricht? Auf die Lehrer der nächsten Generation kommt’s an, 06.03.2022:
https://www.news4teachers.de/2022/03/computerspiele-im-unterricht-auf-die-lehrer-der-naechsten-generation-kommt-es-an/
Schenk, Sabrina, Lech, Robert K., Suchan, Boris: Games people play: How video games improve probablistic learning, In: Behaviourial Brain Research Volume 335, 29.09.2017, Seite 208 – 214 (Studie der Universität Bochum zur Lernfähigkeit computerspielender Kinder):
https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S016643281730390X?via=ihub
Spieleratgeber NRW: Gute und unbedenkliche Computerspiele finden. Eine Linkliste für Eltern:
https://www.spieleratgeber-nrw.de/Gute-und-unbedenkliche-Computerspiele.3032.de.1.html
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