Wohlfühlen und Lernen: So gestalten Sie die förderliche Lernumgebung der Zukunft
Elisa Morel
Viele Schulgebäude in Deutschland sind nicht auf dem aktuellen Stand, brauchen dringend eine Modernisierung – oder auch erst mal eine Sanierung. Dabei benötigt motiviertes Lernen mit Freude natürlich auch ein ansprechendes, flexibles Umfeld.
© ADOBE Stock
In diesem Beitrag erfahren Sie, wie Sie Ihre Räumlichkeiten an die Bedürfnisse Ihrer Kinder anpassen und individuelleres Lernen gewährleisten. Dafür ist nicht unbedingt ein neues, architektonisch beeindruckendes Gebäude erforderlich. Mit Kreativität, ein wenig Geschick, mobilem Mobiliar und den Chancenbudgets aus dem Startchancen-Programm verwandeln Sie auch bestehende (Klassen-)Räume in förderliche Lernumgebungen. Anregungen, wie Sie Ihren Schülerinnen und Schülern durch eine lernförderliche Umgebung zu mehr Chancengleichheit verhelfen, auch wenn Sie nicht explizit als Starchancen-Schule ausgewählt wurden, finden Sie hier ebenfalls.
Inhalt
1. Gebäude und Ausstattung: Der Ist-Zustand an deutschen Schulen
2. Individuelles Lernen in vielfältiger Umgebung
2.1. In welcher Umgebung lernen Menschen am liebsten?
2.2. Welches Lernumfeld wünschen sich die Kinder?
2.3. Bausteine gelungener Lernlandschaften
Individuelles Lernen in vielfältiger Umgebung
Jeder Mensch ist anders. Genauso vielfältig wie die Lernvorlieben Ihrer Kinder ist im Idealfall auch die Lernumgebung, die Sie an Ihrer Schule erschaffen. Bieten Sie daher verschiedene Bereiche und Elemente an, die die Kinder nach Belieben nutzen. Mit einem Tablet kann man beispielsweise genauso effektiv in einer Leseecke wie in der Hängematte oder auf dem Teppich lernen.
Wichtig ist, dass Sie Bereiche für verschiedene Bedürfnisse schaffen. Dazu gehören vor allem Orte der Zusammenkunft und des Austauschs sowie Rückzugsorte – nicht nur zum Lernen, sondern auch mal zum Auftanken und Entspannen, wenn einzelnen Kindern der Trubel zu viel wird.
In welcher Umgebung lernen Menschen am liebsten?
Sie selbst können wahrscheinlich genau benennen, welche Eigenschaften Ihr idealer Lernort hat. Natürlich kommt es auch auf die Tätigkeit an: Fürs Schreiben bevorzugen viele Menschen einen bequemen Sitzplatz, vielleicht an einem Tisch, zum Lesen darf es dann gemütlicher werden, aber in beiden Fällen mögen Sie wahrscheinlich eine helle und eher ruhige Umgebung, während es bei einem Workshop auch gern lebhafter zugehen darf, um sich auszutauschen und aktiv zu werden.
Ihre Kolleginnen und Kollegen haben vielleicht andere Vorstellungen als Sie. Manche Menschen ziehen sich zu vielen Tätigkeiten am liebsten zurück, andere mögen es nicht, in Stille zu arbeiten, sondern präferieren leise Musik oder die Gegenwart anderer Menschen auch dann, wenn sie sich konzentrieren müssen.
Gemeinsamer Nenner der meisten Personen ist wahrscheinlich eine saubere und ordentliche Umgebung, die ansonsten verschiedene Möglichkeiten bietet, um sich auszutauschen, seine Ruhe zu haben oder auch einfach zwischen mehreren Orten und Beschäftigungen zu wechseln, anstatt über Stunden nur im Sitzen zu schreiben, im Stehen zu werken oder im Liegen zu malen.
Welches Lernumfeld wünschen sich die Kinder?
Beobachtet man vor allem jüngere Kinder, stellt man fest, dass sie sich bei den meisten Tätigkeiten nicht für das Sitzen auf einem Stuhl entscheiden. Sie kuscheln sich aufs Sofa, fläzen sich in einen Sitzsack, liegen auf einem flauschigen Teppich oder krabbeln in eine Höhle.
Somit ist es eine gute Idee, Kindern verschiedene Orte und Möbel anzubieten, damit sie je nach Stimmung, persönlicher Präferenz oder Aufgabe selbst wählen können, wo sie lernen: Zusammen mit anderen in einer Sitzecke, zurückgezogen in einer Nische, im Stehen zum Experimentieren oder im Liegen, wenn es vor allem ums Zuhören oder Entspannen geht.
Auch fröhliche, helle Farben haben einen großen Einfluss aufs Wohlbefinden. Natürlich darfs gern auch mal ein wenig dunkler und gemütlicher sein, z. B. beim Vorlesen, bei Kerzenschein im Advent oder eben in einer Kuschelhöhle, doch wenn es um Lernen, Konzentration und Kreativität geht, mögen Kinder (und wahrscheinlich auch die meisten Erwachsenen) es eher hell und bunt.
Somit erreichen Sie schon eine Menge, wenn Sie die Wände hell streichen, Farbakzente setzen oder die Kinder gleich ihre eigenen Ideen gestalten. Auch mit verschiedenen Lichtquellen bewirken Sie eine angenehme Veränderung des Raums. Und mit genügend hellen und bestenfalls mobilen Möbeln und ein paar bunten Sitzkissen wirkt auch der langweiligste Linoleumboden nicht mehr trist und uninspirierend – einfach, weil er in einer solchen Wohlfühlatmosphäre kaum noch auffällt.
Bausteine gelungener Lernlandschaften
Gelungene Lernlandschaften zeichnet aus, dass die Kinder sich gern in ihr bewegen und selbstbestimmt auf verschiedene Arten lernen können. Gleichzeitig braucht es Einzelarbeitsplätze oder -bereiche, Bereiche für das Arbeiten in Gruppen und den Austausch und im Idealfall auch Räume zum Forschen, Malen, Basteln oder Bewegen. Außerdem zeichnet sich ein modernes Lernumfeld dadurch aus, dass den Schülerinnen und Schülern Technologie zur Verfügung steht – von der Steckdose über Tablets bis hin zu Bildschirmen und digitalen Lernhilfen.
Ein unerlässlicher Bestandteil sind mobile Möbel, denn sie ermöglichen das schnelle Umbauen, wenn Sie Räume mehrfach nutzen wollen, z. B. sowohl als Turnhalle als auch Aula. Wenn Sie z. B. viele Ideen für Themenlabors, aber zu wenig Räume haben, schieben Sie die jeweiligen Regale mit Malutensilien, Forscher-Equipment oder Lesestoff einfach in den entsprechenden Raum und danach wieder ins Lager.
Vielfalt ist also geboten. Mögliche Elemente für eine moderne Lernumgebung sind beispielsweise:
- Leseecken, Hängematten oder Nischen als Rückzugsmöglichkeit oder zum Lernen alleine
- Gruppentische, Sitzecken oder eine Freifläche mit Sitzkissen als Ort der Begegnung und des Austauschs
- Kletter- und Turnlandschaften zur Bewegungsförderung
- Ateliers zum Schreiben, Werken, Handarbeiten, Experimentieren u. v. m.
- weitere Alternativen zum klassischen Sitzen an einem Tisch, z. B. Stehpulte oder Sitzbälle
- Bereiche zum Spielen, Lesen, Entspannen
- Pinnwände, Whiteboards, interaktive Tafeln zum gemeinsamen Arbeiten und Festhalten von Ergebnissen
Die Vorteile eines modernen Lernumfelds auf einen Blick:
3 praktische Tipps für eine Umgestaltung der Schulräume
Mit diesen 3 Tipps fällt es Ihnen leichter, Ihre Schule (oder zunächst einzelne Räume) in eine förderliche Lernumgebung zu verwandeln.
1. Fangen Sie klein an und lassen Sie sich Zeit
Eine bestehende Schule komplett in ein modernes, ansprechendes Lernumfeld zu verwandeln, ist ein Langzeitprojekt. Selbst wenn Sie die vorhandenen Räume erhalten, ohne Wände einzureißen und neue Böden zu verlegen, braucht der Wandel Zeit. Das ist okay, denn von der neuen, inspirierenden Umgebung werden nicht nur Sie selbst über Jahrzehnte profitieren, sondern auch viele Jahrgänge von Schulkindern.
Gleichzeitig will ein solches Großprojekt gut durchdacht sein. Einen funktionierenden Plan schüttelt sich niemand so schnell aus dem Handgelenk und die Freimachung finanzieller Mittel wird sicher ebenfalls Zeit in Anspruch nehmen. Außerdem ist an vielen Stellen Fachwissen erforderlich, über das Sie selbst wahrscheinlich nicht verfügen und auch nicht verfügen müssen, z. B. bezüglich Verkabelung, Brandschutz oder Integration von verschiedenen digitalen Technologien. Reden Sie also mit Experten, recherchieren Sie, brainstormen Sie mit Handwerkern, Brandschutzexperten, Architekten, Kollegen, Eltern. Vielleicht bilden Sie ja im Kollegium ein Projektteam, das sich u. a. mit der Einholung von Informationen, Fördermitteln und Angeboten befasst.
Beziehen Sie auch Ihren Schulausstatter BACKWINKEL in Ihre Planung mit ein. Wir beraten Sie gern dazu, wie Sie Ihr Chancenbudget effektiv einsetzen, um eine förderliche Lernumgebung einzurichten.
Wenn Sie dann beginnen, fokussieren Sie sich auf ein Element nach dem anderen. Ihre Schule muss nicht unbedingt das Treppenhaus in eine Kletterlandschaft verwandeln oder neun verschiedene Lernlabors besitzen. Setzen Sie sich also nicht unter Druck, sondern entscheiden sich erst einmal für Umgestaltungen, die im Budget liegen und ohne allzu viel Aufwand umsetzbar sind. Das motiviert, weil Sie schnell Erfolge sehen, und viele gute Ideen entstehen eben erst im laufenden Prozess.
2. Lassen Sie sich inspirieren
Oft kann man sich gar nicht vorstellen, was alles möglich ist. Sie kennen Ihre Räumlichkeiten seit Jahren und sind daran gewöhnt, dass sie aussehen, wie sie eben aussehen. Da fällt es schwer, daran zu glauben, dass der Abstellraum zu einem spannenden Forschungslabor werden könnte.
In Ländern überall auf der Welt gibt es Schulen, die durch Architektur, Kreativität und Vielfalt in der Gestaltung der Räumlichkeiten beeindrucken. Manche bieten via Internet einen 360°-Rundgang, über andere gibt es Dokumentationen. Im Internet finden Sie Berichte und Bilder zu gelungenen Umgestaltungen an Schulen. Vielleicht lassen Sie sich auch durch die Erkenntnisse aus der Hattie-Studie inspirieren.
3. Wertschätzung durch Beteiligung bei der Umgestaltung
Sammeln Sie auch gemeinsam mit Ihren Schülerinnen und Schülern Ideen für die neuen Lernumgebung: Welche Farben, Möbel, Bereiche wünschen sich die Kinder? Anschließend bietet sich eine Projektwoche an, um die Ideen umzusetzen. Binden Sie auch die Eltern ein – vielleicht hat jemand Expertise, Werkzeuge, Materialien? Es lohnt sich auch, örtliche Handwerker auf eine Kooperation anzusprechen. So lernen die Kinder auch viele praktische Kniffe, während sie an der Lernumgebung ihrer Wünsche arbeiten.
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Lesen Sie mehr:
- Anders, Florentine: Raumgestaltung an Grundschulen. Neue Lernräume und Schularchitektur – Ideen aus Deutschland und der Welt, 22.05.2024:
https://deutsches-schulportal.de/schulkultur/neue-lernraeume-und-schularchitektur-inspirationen-aus-deutschland-und-der-welt/
- Anders, Florentine: Zeitgemäße Lernräume in einem alten Gebäude – wie geht das?, 16.06.2022:
https://deutsches-schulportal.de/schulkultur/zeitgemaesse-lernraeume-in-einem-alten-gebaeude-wie-geht-das/
- Sammlung von Texten zum Thema pädagogische Architektur:
https://www.bildungsserver.de/architektur-und-bildung-paedagogische-architektur-12936-de.html
- Der Raum als „dritter Pädagoge“: Über neue Konzepte im Schulbau, 19.10.2018:
https://www.bpb.de/lernen/digitale-bildung/werkstatt/278835/der-raum-als-dritter-paedagoge-ueber-neue-konzepte-im-schulbau/
- CDW·G: A modern learning environment. Three key aspects – technology, flexible furniture and audiovisual tools – help propel classrooms and students into the future (Whitepaper, PDF):
https://edtechmagazine.com/k12/sites/edtechmagazine.com.k12/files/document_files/a-modern-learning-environment.pdf
- Internetpräsenz des Schweizer Churermodells zur Gestaltung des Lernraums:
https://churermodell.ch
- Selbstlernzeit – Individuelles Lernen durch räumliche Vielfalt, 13.07.2019:
https://deutsches-schulportal.de/konzepte/selbstlernzeit-individuelles-lernen-durch-raeumliche-vielfalt/
- Sammlung von Texten zum Thema Schularchitektur bezogen auf Ganztagsschulen:
https://www.ganztagsschulen.org/de/ganztagsschule-vor-ort/schulbau-und-schularchitektur/schulbau-und-schularchitektur_node.html
- Hermes, Sandra: Schulbau mit dem Startchancen-Programm – „Nicht jedes Kind braucht einen Tisch und einen Stuhl!“, 25.04.2024:
https://deutsches-schulportal.de/schulkultur/nicht-jedes-kind-braucht-einen-tisch-und-einen-stuhl/
- Köhler, Regina: Das sind die wegweisenden Schulbauten Europas, 10.07.2019:
https://deutsches-schulportal.de/schulkultur/das-sind-die-wegweisenden-schulbauten-europas/
- Krawitz, Rudi: Anregungen zur Gestaltung von Lernumgebungen (PDF zum Download):
https://www.schulentwicklung.nrw.de/materialdatenbank/material/view/4787
- Minero, Emelina: The Architecture of Ideal Learning Environments, 02.03.2018:
https://www.edutopia.org/article/architecture-ideal-learning-environments
- Montag Stiftung Jugend und Gesellschaft: Pädagogische Architektur (samt Online-Tool Schulbau Open Source mit Material zu Pilotprojekten):
https://www.montag-stiftungen.de/handlungsfelder/paedagogische-architektur
- spannende Publikationen, Forschungsprojekte, Videos und Schulbauprojekte:
https://raumbildung.at/schularchitektur/
- Brand, Alexander: John Hattie: Weniger Lehrplan, mehr Leidenschaft!, 27.01.2025:
https://deutsches-schulportal.de/bildungsforschung/john-hattie-weniger-lehrplan-mehr-leidenschaft/
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Gemeinsam suchen wir ständig nach neuen, aufregenden Themen rund um das Thema Bildung im Kiga, der Schule und zu Hause. Und weil Sie da an der Quelle sitzen, freuen wir uns auf Ihre konstruktiven Rückmeldungen und Anregungen an blog[@]backwinkel.de
Viel Spaß beim LACHEN LESEN LERNEN!