Ist das schon AD(H)S? Aufmerksamkeitsdefizit-/ Hyperaktivitäts-Syndrom erkennen und damit umgehen
Elisa Morel
Der Arzt Heinrich Hoffmann schrieb um Weihnachten 1844 den Zappelphilipp und weitere Geschichten für seinen damals dreijährigen Sohn – als Gegenstück zu allen biederen Kinderbüchern, die damals gängig waren. Man kann aufgrund von Dokumenten und Überlieferungen vermuten, dass sowohl Vater als auch Sohn ein ADHS hatten.
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Der Zappelphilipp gilt noch heutzutage als plakatives Beispiel für ADHS. Doch was steckt hinter diesem Syndrom? Was bedeutet es, ein AD(H)S zu haben? Und wie (er)schafft man mit betroffenen Kindern einen harmonischen Alltag? Das und mehr erfahren Sie in diesem Beitrag.
Inhalt
1. Der Unterschied zwischen ADHS und ADS
1.1. Ursachen von AD(H)S
1.2. Symptome von AD(H)S
2. AD(H)S im Kita-Alltag
2.1. Allgemeine protektive Maßnahmen bei AD(H)S
2.2. Konkrete Tipps für den Umgang mit AD(H)S-Kindern
Unsere reizvolle Welt
Wir leben in einer immer schnelleren Welt: Alle und alles ist miteinander vernetzt, pausenlos prasseln alle möglichen Reize auf uns ein und unser Leben ist deutlich weniger planbar als noch vor wenigen Jahrzehnten.
Globalisierung und digitale Revolution haben unseren Alltag auf den Kopf gestellt. Während es früher normal war, sein Leben lang im selben gelernten Beruf beim selben Arbeitgeber zu arbeiten, strebt heute alles nach Veränderung. Reisebereitschaft ist in vielen Berufen normal geworden, die Anforderungen ändern sich, neue Jobprofile entstehen genauso schnell, wie alte hinfällig werden. Und wenn man etwas Neues ausprobieren will, genügen wenige Klicks im Internet, um als Quereinsteiger oder Freelancer neue Wirkungsbereiche zu finden.
Jegliche Beziehungen sind instabiler als vor ein paar Jahrzehnten – ein Partner, ein Haus, ein Job pro Leben entspricht nicht mehr dem Zeitgeist. Trennungen und Scheidungen haben zugenommen, Jobwechsel oder Umschulungen sind weit verbreitet.
Außerdem wachsen Kinder heute mit all den digitalen Finessen auf, die in den 1990er-Jahren noch neu waren: Sie kennen Smartphones und das Internet und erleben oft von klein auf, dass diese Medien den Alltag ihrer Eltern bestimmen. Eine App oder virtuelle Sprachassistenten ersetzen das Kochbuch, die Straßenkarte, den Anruf im Kino. Man schreibt keine analog Briefe mehr, sondern E-Mails und Messenger-Nachrichten (die nachträglich löschbar oder zurückrufbar sind, wenn man zu voreilig war). Musikkassetten oder CDs braucht man dank YouTube oder Spotify nicht – und erspart sich so auch Suchen, Vorspulen oder einfach ein paar Minuten Reinhören, um sich in der Geschichte zu orientieren. Spielzeuge sind schon lange eher digital als analog.
Alles geht schneller, zwischendurch und nebenbei. Dabei muss niemand großartig geduldig sein. Dadurch wird es allerdings immer schwieriger, Ruhe zu finden, sich zu fokussieren, sich Zeit zu lassen. Denn das alles will gelernt sein.
ADS und ADHS bleiben in erster Linie hormonelle Störungen. Doch unsere heutige Welt bietet immer weniger Schutzräume, die das Leben mit dieser Disposition einfacher machen. So können sich Symptome verstärken, die in einer reizärmeren Umgebung nicht so deutlich oder störend hervortreten würden.
Symptome von AD(H)S
Lebhaftigkeit hat nichts mit AD(H)S zu tun. Es mag Kinder geben, die den ganzen Tag toben und schreien können, deren Hirnchemie aber keine Diagnose auf AD(H)S ergibt. Gleichzeitig verhalten sich fast alle Menschen in einer Gruppe anders als im kleinen, vertrauten Rahmen: Kinder mit AD(H)S können z. B. in der Einzelbetreuung verhaltensunauffällig sein, weil sie von Ruhe, klaren Anweisungen und der reizärmeren Umgebung profitieren.
Genauso hat nicht jedes ruhige, oft abwesend wirkende Kind ein ADS, sondern vielleicht einfach nur Kummer, wenig geschlafen oder eine vorübergehende Krankheit, die es schwächt. Abgesehen davon, dass es natürlich auch einfach ruhige, verträumte Kinder gibt.
Daher ist eine genaue Beobachtung des Kindes und seines Verhaltens über einen Zeitraum von mehreren Monaten oder einem halben Jahr empfehlenswert. Wichtig ist auch, darauf zu achten, inwiefern das Verhalten des Kindes ihm selbst zu schaffen macht.
Leitfragen können z. B. die folgenden sein:
- Reagiert es körperlich aggressiv auf belastende Situationen und grenzt sich dadurch aus der Gruppe aus?
- Albert oder zappelt es so viel herum, dass die Konzentration darunter leidet?
- Zieht es sich so häufig oder lang in sich selbst zurück, dass es dadurch wichtige Teile des Tagesgeschehens verpasst?
Notieren Sie Ihre Beobachtungen am besten im Team und tauschen Sie sich aus. Es ist hilfreich, sich zusätzlich in einer Tabelle zu vermerken, ob das Verhalten des Kindes mit bestimmten Situationen korreliert, die z. B. viele Reize wie einen lauten Lärmpegel beinhalten. Somit haben Sie dann vielleicht auch schon die erste Stellschraube gefunden, um diese Situationen zu entspannen.
Reden Sie auch mit den Eltern: Wie verhält sich das Kind zu Hause? Gibt es vielleicht noch mehr Menschen mit einem AD(H)S in der Familie? Inwieweit ist der familiäre Alltag entspannt oder stressig?
Die abschließende Diagnose muss natürlich ein (Kinder-)Arzt stellen. Doch in jedem Fall ist es sinnvoll, sich mit dem Verhalten des Kindes zu befassen – nicht nur, um Informationen zu sammeln und auszutauschen, sondern auch, um das Kind besser verstehen und ihm so den Alltag erleichtern zu können.
Vereinfacht zusammengefasst fallen Kinder mit ADHS vor allem durch die folgenden Eigenschaften und Verhaltensweisen auf:
- Konzentrationsschwierigkeiten
- motorische Unruhe
- geringe Frustrationstoleranz
- Impulsivität
- Stimmungsschwankungen
- geringes Organisationstalent
- Antriebslosigkeit (bei ADHS des unaufmerksamen Typs)
Das umfasst natürlich auch viele andere kleine Dinge: Trödeln oder Unpünktlichkeit, Wutausbrüche oder Geistesabwesenheit, ein schlechtes Kurzzeitgedächtnis oder das Aufschieben von Aufgaben.
ADS zeichnet sich vor allem durch diese Merkmale aus:
- erhöhter Ruhebedarf
- Geistesabwesenheit
- Prokrastination
- Motivationsschwierigkeiten
- Vergesslichkeit (vor allem schlechtes Kurzzeitgedächtnis)
- mangelnde Konzentration
- Unpünktlichkeit
All das sorgt natürlich dafür, dass auch Kinder mit ADS den Anforderungen des Alltags nur in seltenen Fällen entsprechen können – auch wenn sie von ihrer Umwelt wahrscheinlich als weniger störend empfunden werden als ihre hyperaktiven Zeitgenossen. Doch auch diese Kinder leiden, weil sie oft unter Stress stehen, wenn die ganze Welt mal wieder zu viel ist.
Gleichzeitig können viele positive Eigenschaften mit AD(H)S einhergehen, z. B. diese:
- überdurchschnittliche Intelligenz
- hohe Empathie
- Kreativität
- Humor
- Sensibilität
Deswegen findet man vor allem im kreativen Bereich gelegentlich talentierte Erwachsene mit einem ADHS: Sie haben ein Umfeld gefunden, in dem ihre Getriebenheit und Impulsivität eine Bereicherung ist und sie nicht mehr in ihrem Alltag belastet. Außerdem finden Betroffene mit den Jahren immer mehr Möglichkeiten, um sich mit ihrem AD(H)S zu arrangieren, während Kinder erst am Anfang stehen und nicht verstehen, warum sie sind, wie sie sind.
Und natürlich ist kein Betroffener wie der andere. Nicht nur, weil eine solche hormonelle Störung individueller ist als eine Erkältung, sondern auch, weil Persönlichkeit, Biografie und soziales Umfeld eine wichtige Rolle spielen.
Daher sind auch Depression, Autoaggression oder Suizidalität mögliche Auswirkungen eines stark ausgeprägten AD(H)S: Je mehr die Disposition das Sozial- und Arbeitsverhalten der Kinder beeinträchtigt, umso mehr leiden sie selbst darunter. Das kann sich in mangelndem Selbstwertgefühl oder Selbsthass äußern, wenn das Kind z. B. der Überzeugung ist „selbst schuld“ oder „gestört“ zu sein oder glaubt, immer selbst alles (Situationen, Beziehungen) „kaputtzumachen“, was vielleicht gut angefangen hat. AD(H)S ist also in keinem Fall zu unterschätzen und Sie benötigen Fingerspitzengefühl im Umgang mit Betroffenen. Denn am meisten leiden immer die Kinder selbst, auch wenn sie durch ihr unfreiwilliges Verhalten die ganze Gruppe sprengen können.
Je früher AD(H)S erkannt wird, umso eher kann eine Therapie ansetzen. In einigen Fällen basiert sie auf Medikamenten wie Ritalin, aber meistens kommt außerdem eine Verhaltenstherapie hinzu, die den Kindern Methoden an die Hand gibt, um besser mit Stresssituationen umzugehen. Mit diesen Bewältigungsstrategien können sie es schaffen, im weiteren Leben ihre Veranlagung zu kompensieren und so auch ihre schulische und berufliche Laufbahn mit weniger Defiziten zu beschreiten.
AD(H)S im Kita-Alltag
Eine Gruppe ist immer so stark wie ihr schwächstes Mitglied – und ein einziges Kind mit ADHS, das beim Vorlesen dazwischenredet oder durch den Raum läuft, anstatt zuzuhören oder sich an seinem Platz zu beschäftigen, kann die Konzentration aller anderen empfindlich beeinträchtigen. Außerdem gibt es Kinder, die mehr als andere eine ruhige Umgebung brauchen, um sich wohlzufühlen – hochsensible oder introvertierte Kinder beispielsweise.
Gleichzeitig können impulsive Ausbrüche und lautes Schreien anderen Kindern Angst machen und bringen in den meisten Fällen Unruhe in die Gruppe, die einige Zeit andauert: Manche Kinder ziehen sich vielleicht zurück, andere werden ebenfalls laut.
Kinder mit ADS hingegen fallen oft gar nicht bis wenig auf, da sie sich in sich selbst zurückziehen und dadurch die anderen nicht stören. So erledigen sie z. B. durch mangelndes Durchhaltevermögen oder fehlende Konzentration einzelne Aufgaben nicht oder beteiligen sich nur kurz an Gruppenaktivitäten, bevor sie aus dem Fenster schauen o. Ä.
Diese Kinder sind i. d. R. weder typische „Störenfriede“ noch Klassenclowns – sie ziehen sich einfach zwischendurch aus dem Geschehen heraus, ohne es selbst zu merken. Natürlich verpassen sie dadurch unter Umständen genauso viel wie ein Kind mit ADHS, das einen Wutanfall bekommt oder Dinge durch die Gegend wirft – aber es beeinträchtigt die anderen nicht in Arbeit oder Konzentration.
Allgemeine protektive Maßnahmen bei AD(H)S
Generell gibt es im Umgang mit Menschen, die von ADHS betroffen sind, bestimmte positive Maßnahmen, die die Symptome verringern:
- Struktur
Jeden Tag zur selben Uhrzeit aufstehen, gemeinsam frühstücken, zu festen Zeiten spielen, essen, schlafen, arbeiten: Das hilft auch Menschen ohne ADHS dabei, sich zu organisieren und zur Ruhe zu kommen, anstatt sich durch zu viel Spontaneität oder zu viele Termine zu verzetteln. Auch Rituale helfen bei Strukturierung und Entschleunigung.
- Ruhe
Gerade Jähzorn, Impulsivität, Stimmungsschwankungen und Reizüberflutung im Allgemeinen begegnet man erfolgreich durch Ruhe: Eine leise Stimme, eine sanfte Berührung, sachliche Fragen und konstruktive Vorschläge helfen vor allem Kindern, sich wieder zu erden.
- liebevoller Umgang
Geduld, Empathie, Respekt und Verständnis sind Grundvoraussetzung im Umgang mit jedem Lebewesen. Niemand sollte die Erfahrung machen, dass er / sie „nicht richtig“, böse, dumm usw. ist, nur weil das eigene Verhalten von der Norm abweichen mag. Außerdem hilft es, im Hinterkopf zu behalten, dass Betroffene erstens einfach nicht anders können, es aber zweitens sehr gerne würden. Denn niemand verursacht freiwillig Probleme mit seinem Verhalten.
- klare Kommunikation
Nicht nur (versteckte) Vorwürfe, Drohungen und Rügen sind in wertschätzender Kommunikation tabu, sondern auch Botschaften mit Double-Bind-Potenzial oder anderweitig missverständliche Äußerungen. Auch Verallgemeinerungen („Nie kannst du dich benehmen!“) und für die Kinder nicht nachvollziehbare Konsequenzen sind weder erfolgreich noch verbessern sie das zwischenmenschliche Verhältnis. Merkt ein Kind z. B. gar nicht, dass es immer wieder aus dem Fenster schaut oder aufsteht, anstatt sich mit seiner Bastelarbeit zu beschäftigen, wird es nicht verstehen, warum es aus der Bastelgruppe ausgeschlossen wird.
- ausreichende körperliche Bewegung
Wer sich zwischendurch auspowert, ist ausgeglichener, gesünder, schläft besser und kann sich besser konzentrieren. Das ist keine neue Erkenntnis und wir alle haben schon die Erfahrung gemacht, dass Sport oder körperliche Bewegung einfach guttun. Körperliche Betätigung hilft gegen motorische Unruhe, sorgt für andere Reize und versorgt das Hirn mit Sauerstoff. Betroffene Kinder profitieren daher von regelmäßigen Pausen, in denen sie toben, klettern oder tanzen können.
- Anpassung an die Wahrnehmung und Anforderungen Betroffener
Wer sagt, dass man als Kind oder Erwachsener lernen muss, sich stundenlang auf eine einzige Sache zu konzentrieren? Natürlich verlangt unser (Bildungs-)System diese Anforderung noch immer häufig, aber prominente Beispiele beweisen, dass man auch anders Erfolg im Leben haben kann: So arbeitet z. B. Elon Musk konzentriert für 5 Minuten an jedem Thema, bevor er zum nächsten übergeht.
Auch ein ruhiges, reizarmes Umfeld fördert Konzentration und Produktivität. Und wenn es bei Kindern doch mal nicht so klappt, sollten Sie jederzeit bereit sein, ihnen entgegenzukommen, z. B. durch eine kleine Pause, Bewegungsspiele oder einen Ortswechsel. Denn wenn wir ehrlich sind, richten auch wir uns den (Arbeits-)Alltag nach unseren Bedürfnissen ein, sobald wir können: Mal eben ein Müsli essen, eine Maschine Wäsche anstellen oder E-Mails lesen ist für alle Menschen eine willkommene Unterbrechung – gerade bei unliebsamen Aufgaben.
Konkrete Tipps für den Umgang mit AD(H)S-Kindern
Manchmal schaffen schon kleine Tricks schnelle Abhilfe, um die Kinder zu erden, wenn ihnen alles zu viel wird. Wie so oft sind Verständnis, Empathie und Zuneigung der Schlüssel zu einem angenehmen Miteinander. Für die betroffenen Kinder sind Situationen, in denen sie (sich) ausklinken, eben auch nur Notlösungen mangels besserer Möglichkeiten. Da wäre es doch fantastisch, wenn Sie gemeinsam bessere Lösungen fänden. Entdecken Sie nachfolgend ein paar Anregungen.
- Bieten Sie Alternativen an
Wenn ein Kind sich nicht mehr auf das eigentliche Thema konzentrieren kann, braucht es vielleicht eine Auszeit. Achtung: Diese Auszeit ist niemals eine Strafe und das Kind darf diese nicht als solche empfinden. Auch mit einer Belohnung hat das nichts zu tun, denn Kinder mit einem ADHS „stören“ nicht absichtlich – sie können einfach nicht anders. Wenn sie merken, dass ihr für sie normales und oft auch für sie selbst anstrengendes Verhalten von ihrem Umfeld als negativ bewertet wird, wirkt sich das selbstverständlich negativ auf ihr Selbstwertgefühl aus. Nicht umsonst haben Betroffene oft depressive Tendenzen und neigen im Erwachsenenalter zu Suchtaffinität.
Wer also nicht mehr im Morgenkreis sitzen mag, kann still auf dem Bauteppich spielen oder malen. Und wenn ein Kind generell Probleme damit hat, ruhig zu sitzen, hilft ein Igelball, ein Handschmeichler oder ein Sitzball, auf dem sich die Kinder ausbalancieren müssen. Das ist ungefährlicher und gesünder als mit dem Stuhl zu kippeln.
Vielleicht haben die betreffenden Kinder auch ihre eigenen „happy places“ in Form von nicht störenden Lieblingsbeschäftigungen: Wer gerne knetet oder prickelt, kann noch immer der Märchenstunde zuhören. Und das Fingerspiel mit einem Gummiband ist auch bei einer Kamishibai-Vorführung weder störend noch für das Kind selbst konzentrationshemmend – wahrscheinlich eher im Gegenteil. Die Beliebtheit von Fidget Spinners auch bei Erwachsenen kann man daher unter verschiedenen Aspekten zu verstehen versuchen.
Viele Kinder finden auch Ruhe, wenn sie sich ihrer kreativen Lieblingsbeschäftigung zuwenden: Musizieren, Basteln, Malen, Töpfern, Bauen o. Ä. Und auch Naturerfahrungen erden Kinder.
- Seien Sie verständnisvoll
Erklären Sie den Kindern, warum Sie bestimmte Maßnahmen ergreifen oder warum es jetzt wichtig ist, still zu sein. Manchmal hilft das übergangsweise, um eine Verbesserung herbeizuführen – vor allem, wenn der Tagesablauf einer klaren Struktur folgt. So kann es von Erfolg gekrönt sein, das Kind zu fragen, ob es noch 10 Minuten im Morgenkreis sitzenbleiben kann, bevor alle zum Spielen nach draußen gehen. Dabei sollte jedes Kind auch die Möglichkeit haben, die Frage zu verneinen sowie eine Alternative, die nichts mit Strafe oder Ausgrenzung zu tun hat.
- Bleiben Sie ruhig
Die Ruhe zu bewahren, mag manchmal schwerfallen – nicht nur einem Kind mit ADHS, sondern auch Ihnen. Somit haben Sie in dieser Situation schon etwas mit Ihrem Schützling gemeinsam. Gerade dann, wenn es sich um Handgreiflichkeiten oder Tobsuchtsanfälle handelt, ist es wichtig, die Lage schnell zu entspannen. Und das funktioniert eben nur mit Ruhe und Souveränität.
Reden Sie leise, aber bestimmt. Führen Sie das Kind weg vom Ort des Geschehens, am besten ganz aus dem Raum und geben Sie ihm Zeit, damit es sich wieder beruhigen kann. Hören Sie ihm zu und akzeptieren Sie seine Wut und alle anderen Gefühle. So weiß das Kind auch, dass sie es ernstnehmen und wertschätzen, anstatt es für sein Verhalten zu verurteilen. Und vielleicht finden Sie zusammen eine Alternative, die dem Kind hilft, in einer Extremsituation zukünftig anders zu reagieren.
- Klären Sie die anderen Kinder auf
Natürlich darf kein Kind Ihrer Gruppe das Gefühl bekommen, wer „stört“, bekomme eine Extrawurst. Versuchen Sie, den Kindern Verständnis dafür zu vermitteln, dass jeder Mensch anders ist und dementsprechend nicht nur andere Stärken, sondern auch andere Bedürfnisse hat. Ein Kind ohne ADS wird vielleicht mit Begeisterung eine halbe Stunde am Stück basteln und gar nicht auf die Idee kommen, eine Pause einzulegen, während ein Kind mit ADS zwischendurch mit den Stiften rumspielt und auch während einer spannenden Vorleserunde nach ein paar Minuten in Tagträume abtaucht.
Einen guten Einstieg in das Thema Toleranz und Individualität liefern Haustiere. Wenn einige Kinder in der Gruppe eine Katze oder einen Hund als Haustier oder anderweitige Tiererfahrungen haben, werden sie im Gespräch schnell feststellen, dass manche Hunde unermüdlich toben und andere bei Regen noch nicht mal vor die Tür wollen, während manche Katzen nie auf den Schoß kommen und andere den ganzen Tag schmusen könnten.
Und erstaunlicherweise haben Menschen die Tendenz, das individuelle Verhalten bei Tieren hinzunehmen, auch wenn es manchmal unerwünscht oder sogar selbst herbeigeführt sein mag („Bello bettelt immer, wenn wir essen“, „Mimi lässt sich nicht gern streicheln“). Sobald es allerdings um andere Menschen, vor allem Kinder geht, maßen sich die meisten (Erwachsenen) an, das in ihren Augen erwünschte Verhalten mit verschiedenen Mitteln herbeiführen zu wollen. Dabei ist es viel sinnvoller, Lebewesen in ihrer Individualität zu akzeptieren, zu respektieren und gemeinsam herauszufinden, wie sich der Alltag für alle Beteiligten angenehm gestalten lässt.
Super-Sparset Igelbälle
Motorikscheiben
Ricochet Wackel-Hocker
Lesestoff:
Webseite zum Thema ADHS und ADS:
http://adhs-ads.com
ADHS Deutschland e. V. Selbsthilfe für Menschen mit ADHS:
https://www.adhs-deutschland.de/Home.aspx
Streif, Johannes: Eine kleine Geschichte der ADHS, In: neue AKZENTE, Nr.100, 1/2015, S. 4 – 13.
http://www.adhs-deutschland.de/Portaldata/1/Resources/pdf/2_1_adhs___ads/Eine_kleine_Geschichte_der_ADHS-Streif_2017.pdf
Infoportal ADHS, Für Kinder, Für Jugendliche, Für Erwachsene, Für Eltern und Angehörige:
https://www.adhs.info/fuer-eltern-und-angehoerige/welche-behandlungsmoeglichkeiten-gibt-es/
DeMedBook Deutsches medizinisches Verzeichnis mit automatisch übersetzten Artikeln aus anderen Sprachen. Artikel über ADHS des unaufmerksamen Typs, 05.09.2018:
https://demedbook.com/was-ist-ueber-unaufmerksamen-adhs-zu-wissen/
Dr. N. Gumpert: Diagnose des ADS, 02.03.2022
https://www.dr-gumpert.de/html/ads_diagnose.html
gesund & vital Redaktion: ADHS: Das „Zappelphilipp-Syndrom“, 24.02.2020:
https://www.gesund-vital.de/kompakt/adhs-das-zappelphilipp-syndrom
Zwei einfühlsame Dokumentationen über den Lebensweg von Kindern mit ADHS, auch bei YouTube verfügbar:
ADHS – Hyperaktive Kinder (SRF, Teil 1; Erstausstrahlung 2011)
Leben mit ADHS – Ritalin oder doch andere Therapie? (SRF, Teil 2; Erstausstrahlung 2017)
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