Ausgrenzung, Demütigungen und Schläge: (Cyber-)Mobbing besprechen, erkennen, verstehen und verhindern
Elisa Morel
Mobbing trifft nicht immer die anderen, denn dafür ist es viel zu verbreitet. Wahrscheinlich haben Sie selbst schon Erfahrungen mit dem Thema gemacht – hoffentlich erst als erwachsener Mensch.
© ADOBE Stock
Wahrscheinlich sitzen in jeder Ihrer Klassen mehrere Schülerinnen und Schüler, die Mobbing bereits am eigenen Leib erfahren mussten oder auch selbst gemobbt haben.
In diesem Beitrag erfahren Sie, welche Beweggründe Täter haben können, was Mobbing mit Betroffenen anrichtet, und vor allem, wie Sie Mobbing bei Ihren Kindern erkennen, thematisieren und verhindern.
Inhalt
1. was ist Mobbing?
2. Welche Formen von Mobbing gibt es?
2.1. Das klassische Mobbing
2.2. Cybermobbing
2.3. (Cyber-)Mobbing mit sexualisiertem Kontext
3. Was motiviert Täter zu Mobbing?
4. Wodurch wird man Opfer von Mobbing?
5. Auswirkungen von Mobbing auf Opfer
6. Wie wehre ich mich gegen (Cyber-)Mobbing?
6.1. Rechtliche Handhabe gegen Mobbing
6.2. 5 Tipps für Lehrkräfte gegen Mobbing
6.3. 5 Tipps für Betroffene von Mobbing
Welche Formen von Mobbing gibt es?
Egal wohin man schaut: Mobbing gibt es in fast jedem sozialen Gefüge. Man sieht es in TV-Formaten wie Dschungelcamp oder Germany’s Next Top Model, am Arbeitsplatz, an Schulen, in Gefängnissen – schlicht überall, wo unterschiedliche Menschen zusammenkommen und mehr oder weniger gezwungen sind, Zeit und Raum miteinander zu teilen.
Am flapsigen Spruch „Ist die Gruppe noch so klein, einer muss das Arschloch sein“, den Ex-GNTM-Kandidatin Sarah Knappik einst im Dschungelcamp äußerte, ist leider etwas dran. Denn ein Feindbild verbindet und eint somit die Gruppe – evolutionär durchaus ein sinnvoller Mechanismus, der leider immer auf Kosten Einzelner geht.
Wie genau die Ausgrenzung im Einzelnen vonstattengeht, kann sehr unterschiedlich sein: eine Kollegin teilt wichtige Informationen nicht mit dem Kollegen, eine Gruppe verfällt in Schweigen, wenn eine bestimmte Person den Raum betritt, Gerüchte machen die Runde oder ein Häftling schlägt dem anderen bei der Essenausgabe das Tablett aus der Hand.
Im Folgenden geht es um die Arten des Mobbings, die im (grund-)schulischen Kontext am häufigsten anzutreffen sind.
Das klassische Mobbing
„Klassisch“ meint an dieser Stelle das analoge Schikanieren ohne Internet. Schon unsere Großeltern wissen darüber Geschichten aus ihrer eigenen Kindheit und Jugend zu erzählen, vielleicht sogar noch immer mit einem hämischen Kichern, wenn sie nicht selbst betroffen waren. Daher klingen solche Anekdoten oft harmlos – war ja nur Schikane oder Hänseln. Wer selbst Mobbing erlebt hat, sieht das immer anders.
Mobbing gliedert sich in zwei bis drei Unterpunkte:
- Verbal/ psychisch: Spitznamen, Nachäffen, Beleidigungen, Ironie und Sarkasmus, Gerüchte und Lügen, Einschüchterungen, Ausgrenzen u.v.m.
- Körperlich: Bespucken, Treten, Schlagen, Schubsen, Bedrohen, Bestehlen, Zerstören von Eigentum etc.
Selbst eine einzelne solche Erfahrung wünscht man niemandem, doch meistens zieht sich Mobbing über einen längeren Zeitraum, wird von mehreren betrieben (und toleriert) und bedient sich verschiedener Methoden: Ist der Spitzname erst da, folgen schnell die Beleidigungen, das Ausgrenzen, unwahre Behauptungen und eventuell auch körperliche Übergriffe.
Cybermobbing
Bei Cybermobbing handelt es sich um einen ähnlichen Sachverhalt, nur dass das Mobbing z. B. via Messenger, Internet und in sozialen Medien stattfindet. Das verleiht den Demütigungen eine neue Dimension:
- Das Internet ist anonym
Viele sogenannte Hater fühlen sich im Internet aufgrund der vermeintlichen Anonymität und damit verbundenen Sicherheit mutiger. Folglich eskaliert die Gewalt schneller.
- Via Internet erreicht man ein großes Publikum
So haben Betroffene auf Social-Media-Plattformen mit Pech gleich Hunderte oder mehr Leute gegen sich, die die Inhalte ihrerseits noch weiterverbreiten.
- Das Internet ist überall
Während sich analoges Mobbing „nur“ auf Schule, Arbeitsplatz, auf jeden Fall auf ein konkretes Umfeld beschränkt, das man im Zweifel wechseln kann, helfen weder Schulschluss noch Schulwechsel gegen Cybermobbing – zumindest nicht in den schlimmeren Fällen.
- Das Internet vergisst nicht
Was einmal online ist, bleibt dort – nicht nur, weil Täter erst einmal zur Rechenschaft gezogen werden müssen. Selbst, wenn einzelne Plattformen Inhalte löschen, die gegen ihre Richtlinien verstoßen, weiß man nie, wer die Beiträge schon heruntergeladen oder weitergeleitet hat.
- Im Internet fakt es sich leichter
Ein gehacktes Handy, ein bisschen Fotomontage oder eine aus dem Kontext gerissene Videoszene/ Aussage: Schon ist die Diffamierung perfekt. Dass eigentlich alles ganz anders ist, interessiert niemanden.
Filmtipp: Ben X, ein belgisch-niederländischer Film von 2007, erzählt die Geschichte eines Autisten, der von seinen Klassenkameraden schikaniert wird, bis er keinen Ausweg mehr sieht. Es gibt viele Filme zum Thema Mobbing in der Schule, doch dieser ist nach meiner subjektiven Meinung weder plakativ noch unglaubwürdig, sondern einfach super gemacht.
(Cyber-)Mobbing mit sexualisiertem Kontext
Sexualisierte Gewalt ist immer eine Machtdemonstration und dient dazu, den anderen zu erniedrigen oder zu zerstören. Auch hier sind die Ausprägungen vielfältig. Unter anderem gehören folgende Varianten dazu:
- das Konfrontieren mit sexuellen Inhalten
- das Verbreiten intimer Fotos, ob echt oder gefälscht
- sexualisierte Handgreiflichkeiten und Übergriffe
- vulgäre Beschimpfungen, Behauptungen oder Gerüchte
- Sextortion (dabei werden Menschen via Internet zu sexuellen Handlungen überredet und anschließend damit erpresst)
Mobbing in der (Grund-)Schule – Zahlen, Daten Fakten
Leider gibt es wenige Zahlen zu Mobbing in Grundschulen. Die meisten Umfragen fokussieren sich bei diesem Thema auf Schülerinnen und Schüler weiterführender Schulen, wobei die Ergebnisse von Studie zu Studie schwanken.
Trotzdem lassen sich natürlich einige Ergebnisse aus den unterschiedlichen Quellen ableiten:
- zwischen 15 und 25 % aller Schülerinnen und Schüler waren schon einmal als Opfer von Mobbing betroffen
- 20 % sind Opfer von Cybermobbing geworden
- um die 15 % der Schülerinnen und Schüler haben schon einmal selbst jemanden gemobbt
- ca. 10 % der Elfjährigen werden mehrmals monatlich zum Opfer von Mobbing
- beide Geschlechter sind ungefähr gleich betroffen
Wie immer mögen die Dunkelziffern weit höher liegen, denn viele Betroffene schweigen aus Angst oder Scham. Doch auch so sind die Zahlen alarmierend und verdeutlichen, dass Mobbing ein wichtiges Thema ist, das Aufmerksamkeit im Schulalltag verlangt.
Was motiviert Täter zu Mobbing?
Wer mobbt, hat Gründe, auch wenn er im Unrecht ist. Bringen Sie Ihren Kindern daher Strategien zum Problemlösen nah und reden Sie gemeinsam über Stärken und Schwächen. Seien Sie, wie immer, wachsam – wie geht es den Kindern?
Diese Gründe können als Motivation für Täter infrage kommen:
- Vorangegangene Gewalterfahrungen
Wer zu Hause gedemütigt, misshandelt, vernachlässigt, missbraucht wird, trägt vielleicht eine riesige Wut in sich. Wie toll muss es sein, mal andere leiden zu lassen, der/ die Stärkere zu sein? Es mag also unter Umständen auch eine Form von Kompensation eigener Gewalterfahrungen dahinterstecken, wenn ein Kind sich entschließt, ein anderes zu malträtieren.
- Sadismus
Es gibt einfach Menschen, die sich am Leid anderer ergötzen. Auch Gruppendynamik ist ein wichtiger Faktor. Doch ob Sadismus wirklich die Wurzel des Motivs oder nur eine Blüte ist, sei dahingestellt. Psychologie ist komplex. Vielleicht hassen sich die Mobber unbewusst für ihr eigenes Verhalten oder wünschen sich Strafe?
- Rache
Einige Beispiele: Aylin und Melina waren immer unzertrennlich, doch dann kam dieser blöde Streit. Aylin ist wütend und als Extrovertiertere von den beiden stellt sie Melina vor anderen bloß, indem sie Geheimnisse ausplaudert.
Yevgeny und Kevin kennen sich schon ewig und machen so gut wie alles zusammen. Mica ist aber neu, richtig cool und freundet sich mit Yevgeny an, weil beide ein seltenes Hobby teilen. Kevin ist verletzt, enttäuscht, fühlt sich alleine. Also setzt er peinliche Gerüchte über Yevgeny in die Welt, in der Hoffnung, dass Mica sich von ihm abwendet.
Wie auch immer – erst mit zunehmendem Alter fühlen sich Enttäuschungen und Streitereien nicht mehr an wie das Ende der Welt. Und die wenigsten Kinder und Jugendlichen haben bereits das richtige Handwerkszeug parat, um mit solchen Krisen umgehen zu können. So passieren oft Dinge im Affekt, die man eigentlich nicht will – denn eine Versöhnung rückt nach solchen Aktionen in weite Ferne.
- Eigene Schwächen
Manchmal ist es einfacher, auf andere einzuhacken, als selbst Opfer zu werden oder sich eigene Schwächen einzugestehen. Das kann eine gute Tarnung sein oder ein aktiver Versuch, dazuzugehören, obwohl man selbst bewusst gar nichts Böses tun will.
Auch Neid spielt manchmal eine Rolle: Warum hat der/ die immer so tolle Noten, während ich Diktate einfach immer verhaue? Ha, aber dafür habe ich nicht so eine riesige Nase! Das finden die anderen bestimmt auch lustig. Hey, Matschnase!
Anerkennung für Machtdemonstrationen steckt auch manchmal dahinter: Wenn jemand Angst vor mir hat, bin ich cool. Ich kann mal was, ich bin wer.
Wer sich seiner selbst sicher ist, seine Stärken kennt und sich wohl in seiner Haut fühlt, hat weniger bis gar keine Gründe, andere unberechtigt anzufeinden. Ein guter Ansatzpunkt für Sie als Lehrkraft: Fördern Sie die Stärken Ihrer SuS und besprechen Sie Regeln für ein respektvolles Miteinander.
Videotipp: Leeroy will’s wissen: Mobber trifft Mobbing-Opfer, mit Carsten Stahl, der heute als Coach gegen Mobbing Schulen besucht (Link am Ende des Beitrags).
Man mag über dieses Format denken, was man möchte. Dieses Video ist jedoch aufschlussreich, weil es die Hintergründe von Tätern, Opfern sowie Schweigenden beleuchtet – und auch klarmacht, wie fließend die Übergänge sein können und dass man immer eine Entscheidung treffen kann. Darüber hinaus gibt es viele weitere interessante Videos auf verschiedenen Plattformen.
Wodurch wird man Opfer von Mobbing?
Es sagt sich so leicht, dass es jede und jeden treffen kann. Tatsächlich weisen Betroffene oft Merkmale aus, die sie für Täter zu einer scheinbar leichten Zielscheibe machen. Dazu können folgende Punkte gehören:
- Vorangegangene Gewalterfahrungen
Wer bereits Gewalt ausgesetzt war, z. B. durch Missbrauch, Prügel oder psychischen Missbrauch, ist meistens auch im späteren Leben für Täter leicht zu identifizieren – vor allem, wenn er durch seine Körpersprache Unterlegenheit und Angst signalisiert und generell nie die Chance hatte, sich zu behaupten oder Selbstwertgefühl zu entwickeln. Daran lässt sich arbeiten – aber eher im Erwachsenen- statt im Grundschulalter.
- Außenseiter
Wenn ein Kind, aus welchen Gründen auch immer, in der Schule keine oder nur wenige Freunde hat oder gern für sich bleibt, ist es potenziell angreifbarer als jemand, der permanent von einer netten Gruppe Mitschüler umringt ist oder sich großer Beliebtheit erfreut. Die meisten Täter haben keine Lust auf Gegenwind und suchen sich gezielt vermeintlich Schwächere.
- Beliebige „ungewöhnliche“ Merkmale
Und das kann nun wirklich fast alles sein: die Wohnung in einem schlechter gestellten Viertel oder reiche Eltern, die Zahnspange oder Brille, ein unübliches Hobby, eine kleine Macke, Krankheiten, der kulturelle oder religiöse Hintergrund, ein Sprachfehler oder eine Lernschwäche, ein abweichender Kleidungsstil, Frisur oder Haarfarbe u. v. m.
Auch hier gilt: Je besser das Kind in den Klassenverband integriert ist, umso weniger eignet es sich für Mobbingattacken. Folglich gilt diesen Kindern durch Sie als Lehrkraft hoffentlich immer eine besondere Aufmerksamkeit.
- Mangelndes Nachdenken oder Pech
Wen beispielsweise im Unterricht eine Magen-Darm-Attacke ereilt, der hat in der Regel für seine weitere Schulzeit „verschissen“. Es gibt auch Fälle, in denen ein unbedachter Moment über die Zukunft entscheidet: ein gepostetes, nicht privates Bild, eine unbedachte Antwort im Unterricht, eine blöde Aktion während der Sportstunde.
Wenn Sie Zeuge werden, schreiten Sie ein. Sprechen Sie gemeinsam darüber, erzählen Sie, was Ihnen vielleicht schon Peinliches passiert ist, wie sie sich gefühlt haben, Sie damit umgegangen sind, was Sie sich gewünscht hätten. Ergreifen Sie Partei. Fragen Sie die Spötter, wie sie sich an der Stelle des anderen fühlen würden – und auch, warum sie reagieren, wie sie es tun. Es mögen Scham, Unsicherheit, Schadenfreude, eigene Angst dahinterstecken.
Reden Sie natürlich nur dann im Klassenverband darüber, wenn es für den Betroffenen okay ist. Anderenfalls laufen Sie Gefahr, die Situation zu verschlimmern.
Auswirkungen von Mobbing auf Opfer
Mobbing ist Psychoterror und somit furchtbar. Je nach Intensität des Mobbings nimmt auch die Schwere der Auswirkungen zu: Wer von zwei Klassenkameraden ein paar Wochen lang gemobbt wird, „verpackt“ das wahrscheinlich besser, als wenn sich der ganze Klassenverband oder die halbe Schule gegen ihn wendet, und das auch noch online.
Je brutaler und vielfältiger die Methoden sind, umso schlimmer wird es selbstverständlich: Böse Blicke und ätzende Spitznamen sind auch nicht toll, aber immer noch „besser“, als mit dem Kopf ins Schulklo gedrückt und dabei gefilmt zu werden.
Mögliche Folgen von Mobbing können daher u. a. sein:
- psychosomatische Beschwerden wie Kopf- oder Bauchschmerzen, Übelkeit, Schlafstörungen oder weitere nicht näher definierte körperliche Symptome.
- vermeidendes Verhalten bis hin zum Schulschwänzen oder der Weigerung, das Bett/ Zimmer/ den Klassenraum (während der Pausen) zu verlassen.
- Stress, Verzweiflung, Wut, Ohnmacht, Konzentrationsschwäche, Leistungsabfall, Reizbarkeit, negatives Selbstbild.
- psychische Erkrankungen wie Tics, Süchte, Ängste, Autoaggression, Essstörungen, bis hin zu Depressionen sowie Suizid.
Es ist ganz klar: Mobbing ist kein Kavaliersdelikt und unter allen Umständen zu verhindern. Wer schweigt, verstärkt die Überzeugung des Opfers, dass es selbst schuld sei, es verdient habe.
Wie wehre ich mich gegen (Cyber-)Mobbing?
Das Perfide an allen Formen der Gewalt ist, dass Betroffenen das Wehren unmöglich scheint – denn das ist der „Sinn“ jeglicher Übergriffe. Gewalterfahrungen isolieren, machen hilflos, beschämen, zersetzen die Psyche.
Die folgenden Ansätze zeigen Ihnen, wie Sie effektiv gegen Mobbing vorgehen können, um Ihre SuS zu schützen. Für zusätzliche Tipps und Tricks lesen Sie auch unseren Beitrag zum Thema Online-Sicherheit für Kinder.
H3 Rechtliche Handhabe gegen Mobbing
Grundsätzlich ist es natürlich schwierig, Kinder als Täter zur Rechenschaft zu ziehen. Strafe ist jedoch auch nicht das Entscheidende – es soll ja nur aufhören.
Je mehr und besser die Vorfälle dokumentiert sind, je mehr Zeugen es gibt, umso mehr Möglichkeiten gibt es. Bei Cybermobbing ist es zwar oft schwierig, gegen Inhalte vorzugehen, doch immerhin sind die Taten besser dokumentiert als Beleidigungen und Prügel auf dem Schulhof.
Aufklärung und Abschreckung können Wunder wirken: Können Sie z. B. einen Polizeibeamten für einen Vortrag in Ihrer Klasse gewinnen? Besucht Sie ein Coach, der sich (als ehemaliges Opfer oder Täter) gegen Mobbing stark macht? Dann nutzen Sie die Chance, um Ihren SuS das Thema Mobbing verständlicher zu machen.
Anlaufstellen bei Mobbing
Diese Informationen dienen eher Ihnen als Vermittlerinnen und Vermittler, denn wenn wir mal ehrlich sind: Welcher achtjährige Schüler wählt eine Telefonnummer und vertraut sich einem Fremden an oder stiefelt gar auf eigene Faust zu einer Beratungsstelle? Dafür muss man ja auch erst einmal wissen, dass einem Unrecht widerfährt – und sich dann noch trauen.
Wahrscheinlich bekämen die Kinder dann auch u. a. Tipps, die uns bekannt sind: Rede mit einer Vertrauensperson, zum Beispiel.
Hier also einige Kontaktdaten:
- die Nummer gegen Kummer: 116 111, Mo. bis Sa. von 14 bis 20 Uhr
- Notinseln: Machen Sie Ihre SuS mit dem Symbol vertraut, damit sie in ihrem Umfeld Anlaufstellen im Falle akuter Bedrohung haben. Die Notinsel gibt es auch als App und auf Social Media – leider Angebote, die sich vor allem an Eltern richten, die dann hoffentlich ihre Kinder instruieren. Einige Links funktionieren leider nicht.
- juuport: vor allem in Bezug auf Cybermobbing
- Telefonseelsorge, rund um die Uhr erreichbar: 0800 111 0 111 oder 222
- der Weiße Ring: 116 006 (von 7 bis 22 Uhr)
5 Tipps für Lehrkräfte gegen Mobbing
Diese Tipps sind als Anregungen gedacht, wenn Sie mit Ihrer Klasse über Mobbing sprechen, damit die Kinder im Ernstfall auf ein paar effektive Methoden zurückgreifen können.
Wenn Sie jedoch Zeuge einer verbalen oder körperlichen Attacke werden, schreiten Sie selbstredend direkt ein und reden mit (Schul-)Sozialarbeitern sowie Kollegen und wenden sich an Anlaufstellen. Bitte schauen Sie niemals weg. Wenn Sie selbst nicht wissen, was Sie tun können, ist das nicht schlimm, solange Sie etwas tun wollen. Holen Sie sich Hilfe, um den Kindern zu helfen.
Nichts ist furchtbarer, als wegzusehen. Nichts ist mutiger, als das Schweigen zu brechen.
- Reden Sie über Mobbing
Thematisieren Sie Mobbing im Unterricht. So sensibilisieren Sie Ihre SuS und helfen ihnen, ihre Empathie zu stärken. Dafür eignen sich für den Einstieg Geschichten, Bücher, Rollenspiele o. Ä. Richten Sie auch einen anonymen Sorgenbriefkasten ein. Vielleicht machen einige Ihrer SuS bereits Erfahrungen mit Mobbing und nehmen dieses Angebot gerne an.
Natürlich können Sie sich auch jederzeit externe Profis dazu holen, die die Kinder aufklären und mit ihnen in den Dialog kommen. Viele Profis haben früher selbst einschlägige Erfahrungen mit Mobbing gemacht, sei es als Täter oder Opfer, und sind deswegen besonders authentisch. Auch ein Elternabend oder eine Konferenz zum Thema Mobbing ist immer eine gute Idee.
- Fördern Sie die Selbstbehauptungskompetenzen Ihrer SuS
Nein zu sagen will gelernt sein, und man kann gar nicht früh genug damit anfangen. Machen Sie Ihren SuS klar, dass sie Rechte haben, dass Mobbing z. T. sogar ein Strafbestand ist und sie sich wehren dürfen. Auch hier eignen sich Rollenspiele, aber auch Gespräche oder Selbstverteidigungskurse.
Mehr zum Thema Selbstbehauptung lesen Sie in unserem Beitrag Grenzen ziehen und Selbstbehauptung lernen.
- Sagen Sie klar: Ich helfe!
Sie haben die Pflicht, Ihre Kinder vor Mobbing zu schützen und sollten zudem eine Vertrauensperson für Ihre Schützlinge sein. Beziehen Sie daher ganz klar Stellung: Mobbing wird nicht toleriert, Sie sind für jede und jeden da, der Hilfe braucht und kümmern sich.
Mobbing kann selbst Erwachsene in die totale Verzweiflung stürzen. Kinder brauchen zwingend einen starken, erwachsenen Partner an ihrer Seite, auf den sie sich in einer solchen Krisensituation bedingungslos verlassen können – auch, weil Gleichaltrige oft Angst haben, Stellung zu beziehen, weil sie nicht selbst zur Zielscheibe werden wollen. Das heißt selbstverständlich auch, dass Sie sofort einschreiten, wenn Sie Zeuge einer Mobbingattacke werden.
- Machen Sie Ihre SuS zu Buddys
Klassensprecher, Streitschlichter, Paten: Es gibt viele Konzepte, die SuS dazu anleiten, Probleme unter- und miteinander zu lösen und sich gegenseitig zu helfen. Dabei müssen Sie nicht unbedingt auf bestehende Konzepte zurückgreifen: Brainstormen Sie mit Ihren Kollegen, informieren Sie sich. Bestimmt finden Sie eine gute Lösung für Ihre Schule.
- Seien Sie aufmerksam
Ist einer Ihrer Schüler in letzter Zeit sehr in sich gekehrt und zieht sich auch in den Pausen zurück? Beteiligt sich eine vorher fröhliche und aktive Schülerin plötzlich nicht mehr am Unterrichtsgeschehen? Ist einer Ihrer SuS unkonzentriert, verschlechtert sich, hat vermehrt Fehlzeiten?
Was auch immer hinter derartigen Verhaltensänderungen steckt: Es ist nichts Gutes. Nehmen Sie sich die Zeit für ein Gespräch unter vier Augen, vielleicht für einen kleinen Brief und forschen Sie nach, damit Sie helfen können. Und wie immer: Hören Sie auf Ihren Bauch.
Bonus-Tipp: Der No-Blame-Approach ist eine tolle Methode, um bestehendes Mobbing aufzulösen und den Zusammenhalt zwischen den Kindern zu stärken. Ein tolles Video dazu finden Sie am Ende des Beitrags.
5 Tipps für Betroffene von Mobbing
Mobbing soll Schwächere schwächen. Die beste Waffe dagegen ist Stärke, die aber viele Kinder (noch) nicht haben. Mache Sie Ihren SuS trotzdem deutlich, dass sie Mobbing zu keinem Zeitpunkt und in keiner Form hinnehmen müssen – z. B. anhand dieser fünf Gedanken.
- Rede darüber und suche dir Hilfe
Wie immer gilt für Opfer – die Täter müssen sich schämen und Angst haben, nicht die Betroffenen. Die Täter sind im Unrecht und jede bzw. jeder hat das Recht, sich zu verteidigen, beschützt zu werden, Gerechtigkeit zu erfahren. Natürlich erfordert das Mut. Aber was wäre die Alternative? Sensibilisieren Sie Ihre Kinder also auch dafür. Es geht nicht um Strafen, auch nicht für die Täter. Das Mobbing muss nur aufhören. Und dafür muss es eben erstmal bekannt sein.
Als erster Schritt eignet sich die beste Freundin, der beste Freund, ein Elternteil, vielleicht auch ein anonymes Hilfetelefon oder die Möglichkeit, Ihnen unauffällig eine Nachricht zukommen zu lassen. Bieten Sie Ihren SuS so viele Alternativen wie möglich. Umso höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass für alle die passende dabei ist.
- Don’t feed the troll!
Selbstbeherrschung ist alles: Wenn sich das Mobbing in hämischen Kommentaren erschöpft, ist keine Reaktion die beste. So liefern Betroffene den Tätern keinen neuen Input, aufgrund dessen sie sie erneut attackieren können.
Nutzen Sie Rollenspiele oder Geschichten, in denen Ihre SuS sich ausprobieren können. Stellen Sie ihnen die Frage: Warum willst du denn unbedingt darauf antworten? Was erhoffst du dir, und wird diese Reaktion deines Gegenübers dann auch eintreten? Oder freut sich der andere eher, wenn seine Provokation geklappt hat?
- Schlagfertige Reaktionen entwaffnen
Zugegeben, dafür braucht es Übung und Ego, aber genau dabei können Sie ja vielleicht helfen. Warum nicht mal lachen oder sich bedanken, wenn man einen blöden Spruch kassiert? Denn damit rechnen Mobber nicht – und das wollen sie auch nicht bezwecken.
Üben Sie im Rollenspiel verschiedene Umgangsweisen mit bösen Kommentaren und Beleidigungen. Eine Anti-Aggressions- oder Coolness-Trainer steht Ihnen dafür gerne zur Seite. Starke Strategien zur Gewaltprävention lesen Sie auch in unserem Beitrag Keep calm and stay cool.
Auch bei tätlichen Übergriffen kann eine ungewöhnliche Reaktion die Täter stoppen und verschrecken oder auch Außenstehende alarmieren: lautes Schreien, das Blasen in eine Trillerpfeife, sich auf den Boden fallen lassen und strampeln. Klar ist das extrem, klar erfordert es Überwindung – aber es ist besser, als zusammengeschlagen und beraubt zu werden.
- Never walk alone!
In extremeren Fällen, wenn körperliche Übergriffe drohen, ist man alleine hilflos. Ein Nachbarskind oder Elternteil kann z. B. in diesem Fall die Kinder zur Schule begleiten, ein Pate aus einer anderen Klasse die Pausen mit dem Kind verbringen – oder Sie richten sogar einen Schutzraum innerhalb der Schule ein. (Regenpausen stoßen aus unterschiedlichen Gründen bei Kindern auf Begeisterung – draußen allein zu sein, ist für manche Kinder ein Horror.) Vielleicht reicht es schon, die Pausenaufsicht zu sensibilisieren oder selbst auf dem Schulhof mit isolierten Kindern in Kontakt zu kommen, wenn Sie selbst gerade Aufsicht führen.
Natürlich setzen all diese Ideen voraus, dass die Übergriffe bekannt sind, weil das Kind sich im besten Fall jemandem anvertraut, vielleicht sogar das Mobbing dokumentiert. Ihre Beobachtungsgabe mag entscheidend sein. Ihre Hilfe ist es auf jeden Fall!
- Es ist nicht deine Schuld!
Niemand verdient Mobbing. Niemand hat etwas getan oder besitzt eine Eigenschaft, die ein solches Verhalten rechtfertigt. Auch, wenn die Verzweiflung groß, im Wortsinn unendlich sein mag: Es geht vorüber. Das heißt nicht, dass Betroffene Mobbing aushalten sollen oder müssen. Wenn alle Stricke reißen, ist auch eine so einschneidende Entscheidung wie ein Schul- oder gar Wohnortwechsel eine Möglichkeit. Es gibt keine unlösbaren Probleme – zumindest nicht mit den richtigen Verbündeten. Seien Sie einer davon. Immer.
Zuallerletzt: Es muss sich von selbst verstehen, dass Sie Ihren SuS jederzeit mit Verständnis, Empathie und Respekt begegnen. In der Praxis sieht es manchmal anders aus. Werden Sie also bitte nicht zu Täterinnen und Tätern, indem Sie Ihre Kleinen und Großen verspotten, bloßstellen, vorführen.
Ungefragtes Drannehmen bei sichtlichem Unwohlsein des Schülers, das Wählen in Mannschaften, das Sortieren von Tests nach Noten oder das öffentliche Besprechen von Fehlern wie auch das Lachen über Schülerantworten oder das Benutzen von Spitznamen und vieles andere mehr sind auch Mobbing oder können es zumindest sein.
Stellen Sie sich also immer die Frage: Würde ich als Erwachsene oder Erwachsener mir das gefallen lassen, würde ich mich gut dabei fühlen? And if you doubt – don’t.
Lesestoff:
eine Sammlung von Materialien und Projekten zum gegen Mobbing, 19.01.2004:
https://www.bildungsserver.de/innovationsportal/bildungplusartikel.html?artid=274
Bohlken, Jan: Cybermobbing – Begriff, Ursachen, Folgen, Symptome, Maßnahmen, Vorsorge, 9.1.2018 (viele rechtliche Informationen zum Thema Cybermobbing):
https://www.profiling-institut.de/cybermobbing/
Deutscher Bundestag: Mobbing an Schulen, Dokumentation, 2018 (Artikel mit zahlreichen Links zu Studien und Anlaufstellen zum Thema Mobbing in der Schule):
https://www.bundestag.de/resource/blob/592494/4ee825520cb3b29d7a6c0b6555f01657/WD-9-056-18-pdf-data.pdf
Galileo: Kann man sich gegen Cybermobbing wehren? Das Experiment:
https://www.youtube.com/watch?v=u2Hcis3lWIk
Haarmann, Julia, Kühmichel, Sabine, Sander, Wolfgang: Baustein 5: Was tun bei Mobbing? – Gegenmaßnahmen, 30.06.2010:
https://www.bpb.de/lernen/angebote/grafstat/mobbing/46532/baustein-5-was-tun-bei-mobbing-gegenmassnahmen/#node-content-title-0
Leeroy will’s wissen!: Mobber trifft Mobbing-Opfer:
https://www.youtube.com/watch?v=8sj8Y15KuXc
Arbeitsblätter samt Lösungsbogen zum Thema Mobbing als Inspiration:
https://mobbing-schluss-damit.de/schule/die-arbeitsboegen
Quarks: Mobbing-Experiment: So schnell wird man zum Außenseiter:
https://www.youtube.com/watch?v=oG73p5RlKNw
RKI: Mobbing und Cybermobbing bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland – Querschnittsergebnisse der HBSC-Studi 2017/18 und Trends, Journal of Health Monitoring, 2020:
https://www.rki.de/DE/Content/Gesundheitsmonitoring/Gesundheitsberichterstattung/GBEDownloadsJ/Focus/JoHM_03_2020_HBSC_Mobbing.pdf?__blob=publicationFile
S., Dana: Mobbing in der Grundschule: So können Lehrer und Eltern handeln, 24.03.2023 (mit einem Video zur No-Blame-Methode):
https://www.kita.de/wissen/mobbing-grundschule/
interessante Sammlung zum Thema Mobbing auch seitens der Lehrkräfte:
https://www.schueler-gegen-mobbing.de/mobbing-in-der-schule/
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