Mikrotransitionen. Mit diesen Tricks reduzieren Sie den Stress im Kita-Alltag
Elisa Morel
Im Kita-Alltag herrscht oft Trubel – vor allem, wenn es für die Kinder von einer Situation in die nächste geht. Daher haben Mikrotransitionen in der Kita eine ganz besondere Bedeutung. Tatsächlich machen sie für Sie und Ihre Kleinen die Hälfte der Zeit in der Kita aus.
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In diesem Beitrag erfahren Sie, welche Arten von Mikrotransitionen es gibt, was das Besondere an ihnen ist und mit welchen praktischen Tipps Sie Ihren Kindern helfen, die Übergänge entspannt zu bewältigen.
Inhalt
1. Was sind Mikrotransitionen?
1.1. Beispiele für Mikrotransitionen in der Kita
1.2. Worin besteht die Besonderheit bei Mikrotransitionen?
2. Was lernen Kinder durch Mikrotransitionen?
2.1 praktische Tipps für gelungene Mikrotransitionen
2.2. Routinen schaffen Sicherheit
2.3. Einheitlichkeit und Kommunikation für mehr Struktur
2.4. Planen Sie Zeitpuffer als Entschleuniger
2.5. Nutzen Sie Self Talking und Parallel Talking
2.6. Seien Sie achtsam und im Moment
2.7. Reduzieren Sie Wartezeiten
Was lernen Kinder durch Mikrotransitionen?
Gut strukturierte Mikrotransitionen vermitteln den Kindern Sicherheit und fördern sie in ihrer individuellen Entwicklung. Die Kinder verfügen nach kurzer Zeit über ein inneres Skript und machen gut mit. Durch Mikrotransitionen werden Kinder selbstbewusster und lernen:
- Selbstständigkeit,
- Selbstregulation,
- Selbstwirksamkeit,
- kulturelle und gesellschaftliche Bildung,
- Lebenskompetenz,
- sich selbst und ihre Bedürfnisse besser kennen.
6 praktische Tipps für gelungene Mikrotransitionen
Im Folgenden haben wir ein paar Tipps für Sie gesammelt, die sich in der Praxis bewähren. Viele davon nutzen Sie bestimmt bereits, doch oft hilft es, sich mit einem Thema noch einmal neu und unvoreingenommen zu beschäftigen, da man sonst riskiert, bestehende Abläufe unkritisch beizubehalten, weil man das ja immer schon so macht.
Auch wenn eine Gruppe neuer Kinder in die Kita kommt oder neue Mitarbeiter in Ihrer Einrichtung anfangen, ist es sinnvoll, bestehende Routinen gemeinsam zu reflektieren oder auch anzupassen. Denn die Arbeit mit Menschen ist nie statisch, so dass Sie bei Veränderungen in der Konstellation und Gruppendynamik gut damit fahren, wenn Sie flexibel und offen für Optimierung bleiben.
Tipp: Vielleicht ist es in manchen Situationen ratsam, räumliche Veränderungen vorzunehmen oder über die Anschaffung anderer Möbel nachzudenken, wenn z. B. die Garderobe sehr beengt ist. Mit kleinen Investitionen schaffen Sie so die Grundlage für viele entspannte Jahre und vermeiden Wartezeiten, Gedränge und Gereiztheit.
Routinen schaffen Sicherheit
Vor allem für (kleine) Kinder sind Routinen wichtig. Sie vermitteln Sicherheit, da die Kinder nach kurzer Zeit mit den Abläufen vertraut sind und sich auf sie verlassen können. Wenn alle wissen, was zu tun ist, verlaufen Mikrotransitionen – und natürlich auch alle anderen Situationen – ruhiger, reibungsloser und strukturierter.
Mikrotransitionen an sich sind ja bereits Routinen, da sie sich verlässlich jeden Tag wiederholen. Verstärken Sie den Effekt mit kleinen Ritualen wie Tischsprüchen, Fingerspielen, Bewegungsspielen und Liedern. Auch akustische Signale helfen den Kindern dabei, von einer Situation in die andere zu finden: Erklingt die Triangel, wissen sie z. B., dass nun gleich das Aufräumen beginnt.
Tipp: Auch an der Wand aufgehängte Bilder, die die Abläufe veranschaulichen, sind hilfreich. So haben die Kinder immer vor Augen, was als Nächstes passiert. Transparenz bringt Ruhe in die Kita, da alle wissen, worauf sie sich einstellen müssen.
Einheitlichkeit und Kommunikation für mehr Struktur
In Ihrer Gruppe arbeiten Sie nicht allein. Und da jeder Mensch anders ist, werden Sie alle sich auch in Ihrer Arbeitsweise unterscheiden. Bei einheitlichen Abläufen ist es allerdings wichtig, dass nicht jeder Mitarbeiter sein eigenes Ding macht. Sind die Kinder es beispielsweise von dem einen gewohnt, sich selbst einen Platz zum Mittagessen auszusuchen, während ein anderer den Kindern feste Plätze zuweist, kann das nicht nur für Verwirrung, sondern auch für Chaos sorgen.
Setzen Sie sich also zusammen, tauschen Sie sich aus und einigen Sie sich auf bestimmte Regeln, um den Mikrotransitionen einen soliden Rahmen zu geben. Dabei soll kein starres Konzept entstehen. Im Vordergrund steht, dass die Kinder ein inneres Skript für die wiederkehrenden Abläufe entwickeln und somit entspannter sind – und Sie somit auch.
Tipp: Bei Ankunft und Verlassen des Kindergartens spielen auch die Familienmitglieder eine wichtige Rolle. Beziehen Sie sie also ein, um diese beiden Mikrotransitionen bei Bedarf zu optimieren. Eine gestresste Mutter, die sich morgens hastig von ihrem Kind verabschiedet, ist beispielsweise kein guter Start in den Tag.
Planen Sie Zeitpuffer als Entschleuniger
Gerade in neuen Gruppen dauert alles länger, und das ist auch verständlich. Routinen brauchen Zeit, um sich zu manifestieren, und das funktioniert erst, wenn die Kinder sich eingelebt haben und in der Einrichtung wohl und sicher fühlen. Planen Sie also nicht nur Zeit für die Übergänge an sich ein, sondern auch ein paar Minuten zusätzlich. Wenn die Kinder z. B. zum Spielen nach draußen gehen, kostet das Anziehen im Winter immer mehr Zeit als bei milden Temperaturen. An unruhigen Tagen verläuft vielleicht auch eine sonst entspannte Situation weniger harmonisch. Das ist dann eben so.
Wichtig ist, dass Sie selbst sich nicht stressen lassen, denn das spüren die Kinder und werden noch unruhiger. Seien Sie lieber der Fels in der Brandung. Mit einem kleinen Zeitpuffer sehen Sie jeder Mikrotransition gelassener entgegen. Wenn es dann doch schneller klappt – umso besser.
Tipp: Gibt es ältere, selbstständige Kinder in Ihrer Gruppe? Dann können sie vielleicht den Kleineren während der Mikrotransitionen helfen, z. B. beim Händewaschen, Aufräumen oder Anziehen. Das verkürzt nicht nur Wartezeiten und entschleunigt, sondern fördert auch das Zusammengehörigkeitsgefühl und die Sozialkompetenz.
Nutzen Sie Self Talking und Parallel Talking
Erklären Sie den Kindern, was passiert, während Sie es gemeinsam umsetzen. Das fördert nicht nur die Sprachentwicklung, sondern sorgt auch dafür, dass die Abläufe sich festigen.
Self Talking meint, dass Sie laut aussprechen, was Sie selbst tun: „So, jetzt gehen wir zusammen zum Waschbecken und ich helfe dir beim Händewaschen. Achtung, ich drehe das Wasser auf. Hier ist die Seife.“ Somit weiß das Kind in jedem Augenblick, was passiert und auch, was es tun soll.
Parallel Talking bedeutet, dass Sie kommentieren, was das Kind tut: „Klasse, du ziehst dir selbst die Jacke an! Und deine Mütze hast du auch schon gefunden.“ Parallel Talk ist also eine gute Möglichkeit, das Kind zu loben und zu bestärken. Gleichzeitig vermitteln Sie durch diese Methode Empathie und können leichter Hilfestellung geben: „Oh, einen Knopf hast du schon zugemacht. Ich sehe, das ist knifflig. Wenn du möchtest, helfe ich dir.“
Für Kinder ist es eine große Unterstützung, wenn Sie kommentieren, was gerade geschieht und im weiteren Verlauf noch geschehen wird. Als Erwachsener denkt man über Mikrotransitionen nicht mehr nach: Wenn Sie einkaufen gehen wollen, würden Sie nie vergessen, Ihre Schuhe anzuziehen und Geld einzupacken. Sie müssen noch nicht einmal mehr darüber nachdenken, weil Sie das alles schon tausendfach gemacht haben. Diese Übung haben Ihre Kleinen noch nicht.
Wenn die Kinder wissen, was als Nächstes passiert und auch, warum es nötig ist (z. B. im Winter eine Mütze anzuziehen, sich vor dem Essen die Hände zu waschen, nach dem Spielen aufzuräumen), werden sie die erforderlichen Dinge wahrscheinlich außerdem bereitwilliger tun, als wenn sie die Gründe nicht kennen oder sie unlogisch wirken.
Man denke nur an vergangene Zeiten: „Wenn du nicht aufisst, scheint morgen nicht die Sonne!“ Was übrigens auch noch auf einem Übersetzungsfehler aus dem Plattdeutschen beruht. „Et dien Töller leddig, dann givt dat morgen goods wedder“ bedeutet „Iss deinen Teller leer, dann gibt es morgen wieder (etwas) Gutes“. Denn „wedder“ bedeutet nicht Wetter, sondern „wieder“. Und Gutes gibt es hoffentlich auch, wenn der Teller nicht leer wird.
Seien Sie achtsam und im Moment
In der Kita ist immer viel los, und oft auch vieles gleichzeitig. Wenn sich 20 Kinder zur selben Zeit anziehen sollen und aufgeregt auf das Klettern und Rennen im Außenbereich warten, ist es nur natürlich, dass es lauter und unübersichtlicher wird.
Versuchen Sie trotzdem, sich gemeinsam mit den Kindern auf das zu konzentrieren, was in diesem Augenblick passiert, und nehmen Sie sich die Zeit, die Sie brauchen. So stellen Sie auch schneller fest, welches Kind vielleicht gerade mehr Aufmerksamkeit oder Hilfe braucht, weil es ihm nicht so gut geht. Je ruhiger Sie sind, umso besser ist es für alle. Und je fokussierter auch die Kinder auf ihre aktuelle Tätigkeit sind, umso schneller gelangen sie von der Transition in die nächste Aktivität.
Tipp: Durch Blickkontakt, kleine Berührungen und eine ruhige Stimmlage helfen Sie den Kindern, sich auf die aktuelle Aktivität zu konzentrieren und das Stresslevel zu senken.
Reduzieren Sie Wartezeiten
Warten will gelernt sein, und dafür brauchen die Kinder ein gewisses Alter. Da Sie auch U3-Kinder in Ihrer Einrichtung haben, fahren Sie am besten damit, wenn Sie jegliche Wartezeiten für die Kinder so gering wie möglich halten. Auch vielen älteren Kindern fällt Warten schwer, z. B. wenn sie besondere Bedürfnisse haben oder es aus ihrem Elternhaus nur so kennen, dass sie tun können, was sie wollen, oder ihnen jeder Wunsch von den Augen abgelesen wird.
Letzteres werden Sie (so schnell) nicht ändern, und es bringt wenig, auf Kosten der Harmonie und der Stimmung in der Gruppe Kämpfe auszufechten. Tun Sie besser sich selbst und auch allen anderen Kindern den Gefallen und überlegen Sie, wie die Kinder möglichst wenig warten müssen.
Vielleicht reichen ein paar kleine Anpassungen schon aus, um eine Mikrotransition entspannter zu gestalten: Ist es eine gute Idee, die Kinder in zwei Gruppen nach draußen zu lassen, z. B. zuerst die Kinder, die Hilfe beim Anziehen brauchen, und ein paar Minuten später diejenigen, die das alleine können – oder doch besser umgekehrt? Sorgt eine bestimmte Sitzordnung beim Essen dafür, dass es an den einzelnen Tischen ruhiger ist? Braucht das Aufräumen nach dem Basteln einfach ein paar Minuten länger, als ein paar Brettspiele zu verstauen? Und bietet es sich montags an, das Toben an der frischen Luft auf den Vormittag zu legen, damit die Kinder nach dem Auspowern für den Rest des Tages entspannter sind?
Beobachten Sie dafür im Team über einen gewissen Zeitraum die verschiedenen Mikrotransitionen aufmerksam und reflektieren Sie. So bekommen Sie sicher Impulse, welche Stellschrauben Sie noch ein wenig justieren können.
Tipp: Prof. Dr. Dorothee Gutknecht rät dazu, sogenannte Ankerplätze einzurichten, an denen die Kinder Wartezeiten überbrücken können, z. B. ein Aquarium, eine Kiste mit Fühlsäckchen oder Geduldspielen, ein Spielteppich. Da die Kinder durch die Materialien angeregt werden, kommen weder Frust noch Langeweile auf, und sie können außerhalb der Aktionszone warten, bis alle bereit sind.
Lesen Sie mehr:
- Daldrop, Kira: Die Garderobensituation im Krippenalltag – Mikrotransition und Aktivität des täglichen Lebens. Qualitative Interaktionsgestaltung und Assistenz, November 2016:
https://www.kita-fachtexte.de/fileadmin/Redaktion/Publikationen/KiTaFT_Daldrop_Garderobensituation_2016.pdf
- Götz, Magdalena, Hügel, Denise, Pflug, Florian, Wunder, Lisa: Kleiner Wechsel – große Wirkung: Mikrotransitionen im pädagogischen Kita-Alltag, 09.06.2021:
https://moodle.evhn.de/pluginfile.php/153572/mod_label/intro/Handout%20Mikrotransitionen.pdf
- Gutknecht, Dorothee: Responsive Gestaltung von Mikrotransitionen in der inklusiven Kita, Dezember 2018:
https://www.kita-fachtexte.de/fileadmin/Redaktion/Publikationen/KiTaFT_Gutknecht_2018_MikrotransitioneninderinklusivenKita.pdf
- Gutknecht, Dorothee; Mikrotransitionen: Vom Freispiel bis zum Mittagsschlaf. Praxistipps für Übergänge im Krippenalltag, 2013:
https://nifbe.de/fachbeitraege/vom-freispiel-bis-zum-mittagsschlaf/
- Kramer, Maren: Mikrotransitionen. Kleine Übergänge – große:
https://www.ffb-bw.de/fileadmin/ffb/pdf_zum_download/Vortraege/ForumAmPuls_Mikrotransitionen_25.01.2024.pdf
- Paulussen, Kerstin: Morgenkreis – Teil 1, 14.04.2023:
https://www.kindergartenpaedagogik.de/fachartikel/beschaeftigungen-methoden/morgenkreis-teil-1/
- Paulussen, Kerstin: Morgen- und Gesprächskreis – Mikrotransitionen Teil 2, 14.04.2023:
https://www.kindergartenpaedagogik.de/fachartikel/kita-leitung-organisatorisches-teamarbeit/kita-organisation-offene-gruppen/morgen-und-gespraechskreise-mikrotransitionen-teil-2/
- Praxis-Kita: Wie du durch gute Mikrotransitionen den Kita-Alltag stressreduzierter gestaltest:
https://praxis-kita.com/mikrotransitionen-stressfrei/#more-10444
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